Karl Nolle, MdL
Freie Presse, 20.06.2009
Schwierige Erinnerung - Nolle, die CDU und die DDR
Leitartikel von Torsten Kleditzsch
2009 ist ein Erinnerungsjahr. 2009 ist ein Super-Wahljahr. 2009 ist deshalb ein ganz schwieriges Jahr. Derzeit ganz besonders für die sächsische CDU. Denn 20 Jahre nach dem Mauerfall sieht sie sich plötzlich mit ihrer Vergangenheit im Osten konfrontiert. Gestern in Gestalt eines lange angekündigten Buches des SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle. Die Ost-CDU wollte diese Debatte nicht, aber schon seit Monaten kann sie ihr nicht mehr entkommen. Dass das den politischen Konkurrenten und ganz besonders Karl Nolle vor Landtags- und Bundestagswahlen gerade recht kommt, versteht sich von selbst.
Um eines klar zu sagen: Die öffentliche Funktion, wie sie zum Beispiel der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich einst in der DDR innehatte, kann heute kein Hinderungsgrund mehr sein für dessen Amt. Ansonsten hätte man einen Großteil der Ostdeutschen von der Wiedervereinigung ausschließen müssen.
Voraussetzung ist allerdings, dass der Wähler stets weiß, welche Biografie der Kandidat tatsächlich hat. Wer da im Ungefähren bleibt, macht sich angreifbar und liefert dem politischen Gegner genau das, was der sucht: Wahlkampfmaterial. Ob dessen Rechnung aufgeht, sei dahingestellt.
Die CDU spielte keine Hauptrolle, war aber mehr als ein Statist.
Auch der sächsischen CDU fiel es stets leichter über andere zu reden und zu urteilen als über sich selbst. Da dürfte die Hoffnung eine entscheidende Rolle gespielt haben, irgendwann werde das keinen mehr interessieren. Und in der Tat wird der Kreis der Interessierten immer kleiner. Aber man ist nicht ins Ziel gekommen.
Die Blockpartei CDU spielte zwar nicht die Hauptrolle in der DDR. Diese Verantwortung trug die SED. Aber die CDU war auch nicht nur Statist. Und schon gar nicht Opposition. Sie war einer der Diener des Herrn. Sicher war sie für manche zugleich auch Fluchtburg. Unter dem Strich aber hat sie das System mitgetragen.
Dass die Bundes-CDU das unterschlagen wollte, als sie im vergangenen Jahr ihr großes Ost-Papier verabschiedete, war taktisch ein Fehler. Sie hat damit dafür gesorgt, dass nun mehr über sie gesprochen wird als über die rot-roten Bündnisse, die die Christdemokraten eigentlich vor dem Hintergrund des Mauerfalljubiläums im Wahlkampf aufs Korn nehmen wollten. So ungerecht kann ein Erinnerungsjahr sein.