Karl Nolle, MdL

sz-online / ap, 19.06.2009

Nolle rechnet mit „Blockflöte“ Tillich ab

SPD-Abgeordneter Nolle präsentiert in Dresden Buch über CDU-Politiker und den Umgang mit der DDR-Vergangenheit
 
Dresden - Für die CDU in Sachsen ist der Mann schon lange ein rotes Tuch. Der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle hat maßgeblich dazu beigetragen, dass zwei christdemokratische Ministerpräsidenten vorzeitig das Handtuch warfen. Im Herbst zwang der 64-Jährige der Unionspartei dann eine Debatte über die DDR-Vergangenheit ihres aktuellen Regierungschefs Stanislaw Tillich auf. Pünktlich zur bevorstehenden Landtagswahl im August präsentierte der Sozialdemokrat am Freitag nun das passende Buch zum heiklen Thema - und legte Tillich den Rücktritt nahe.

„Sonate für Blockflöten und Schalmeien“, lautet der Titel. Auf gut 300 Seiten geht es um die Vergangenheit von mehr als 100 mehr oder weniger wichtigen Politikern, die einst in der DDR-CDU nach oben strebten und heute in dem ostdeutschen Bundesland Sachsen wieder an einflussreicher Stelle sitzen - ob als Minister, Abgeordneter oder Bürgermeiter. Und es geht um den Vorwurf, manch einer habe seine Blockpartei-Biographie bereinigt, um nach dem Mauerfall besser Karriere machen zu können. Ein ganzes Kapitel ist dem CDU-Regierungschef Tillich gewidmet.

Nolle sagte bei der Vorstellung im überfüllten Landtags-Presseraum, „mein Buch ist keine Anklageschrift und kein Generalangriff gegen die CDU.“ Es wende sich aber gegen die Doppelmoral der Mächtigen im Land. Jahrelang hat Nolle nach eigenen Angaben recherchiert und Dokumente beiseite gelegt. Dabei hat er sich zuletzt vor allem auf Tillich konzentriert, der seit einem Jahr Regierungschef ist und seine Partei erstmals als Spitzenkandidat im Landtagswahlkampf anführt.

CDU spricht von Schlammschlacht

Tillich geriet bereits Ende 2008 in Bedrängnis. Damals wurde bekannt, dass er für die CDU-Blockpartei vor dem Mauerfall in Kamenz als stellvertretender Vorsitzender des Rates des Kreises für Handel und Versorgung tätig war. Er selbst hatte sich bis dahin in Lebensläufen als „Angestellter der Kreisverwaltung“ bezeichnet. Nolle wirft ihm deswegen seit Monaten vor, seinen Lebenslauf geschönt zu haben. Tillich bestreitet dies. Los wurde er die Diskussion aber bis heute nicht. Dabei geht es auch um einen Fragebogen, den der CDU-Politiker vor Jahren bei Übernahme in den Staatsdienst ausfüllen musste und den er bis heute nicht vollständig offengelegt hat.

Nolle spricht von Verschleierung und wirft Tillich vor, mit seiner Biografie nicht wahrhaftig umzugehen. Der Regierungschef sei daher fehl am Platz, fügte er nun hinzu. Die Attacken von Nolle sorgten bereits für erhebliche Verstimmung in der CDU-SPD-Koalition. Die Union sprach von Schlammschlacht und Denunziation. Der anhaltende Aufklärungseifer Nolles und das Buch gelten als Gründe, warum die CDU nach den Landtagswahlen nur in der allergrößten Not noch einmal mit der SPD zusammengehen würde. Am 30. August wird in Dresden ein neuer Landtag gewählt.

Tillich spielt die Ost-Karte

Vieles, was im Buch steht, ist bereits bekannt. Und es wird auch in der CDU nicht damit gerechnet, dass Tillich darüber stolpern könnte. „Es ist für uns aber sicherlich auch nicht sonderlich hilfreich“, sagte ein Unionsmann in Dresden. Tatsächlich könnte es der CDU wegen der neu entflammten Diskussion um ihren Spitzenmann nun auch zunehmend schwerer fallen, mit dem Rote-Socken-Thema gegen die Linkspartei im Wahlkampf zu punkten.

Tillich selbst wirkte zuletzt dünnhäutig. Und spielte am Ende sogar die Ost-Karte, um die Sache zu seinen Gunsten zu beenden. Er sei es leid, „immer wieder mein Leben erklären zu müssen, bis es der Letzte verstanden hat, der meint, aus dem Westen kommend, uns die Zeit vor 1990 erklären zu müssen“. Tatsächlich stammt Nolle aus Niedersachsen. Im Juso-Bezirksverband Hannover war er einst Stellvertreter von Gerhard Schröder. Nach dem Mauerfall ging er dann als einer der ersten in den Osten, seit zehn Jahren sitzt er bereits im Landtag. Er wolle nicht über Lebenswege richten, sagte er. „Nicht die Biografien sind eine Schande, sondern der Umgang damit.“ (AP)
Von Lars Rischke