Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 20.06.2009

Zündstoff im Wahlkampf

Mit einiger Verspätung präsentiert SPD-Mann Nolle sein Buch über CDU-Blockflöten / Konter von der Union
 
Dresden. Zehn Wochen vor der Landtagswahl hat der SPD-Abgeordnete Karl Nolle sein umstrittenes Buch „Sonate für Blockflöten und Schalmeien“ vorgestellt. Auf 330 Seiten wirft er sächsischen CDU-Funktionären Kollaboration mit dem SED-Regime vor. Im Fadenkreuz steht Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU), der laut Nolle seine Vita manipuliert hat. Die CDU kartete gestern zurück. Für reichlich Zündstoff im Wahlkampf ist gesorgt.

Es war eine durchdachte Inszenierung. Der Sitzungsraum im Landtag war übervoll, neben diversen Kamera-Leuten und Reportern hatten auch Vertreter anderer Parteien Platz genommen – aus der CDU-Landesgeschäftsstelle zum Beispiel. Feindbeobachtung nennt man das. Auf dem Podium aber saß SPD-Mann Nolle und neben ihm ein alter Bekannter. Der ehemalige SPD-Fraktionschef und Leipziger Uni-Rektor Cornelius Weiss versuchte das einzuordnen, was kam: die Präsentation von Nolles polit-historischer Abrechnung mit sächsischen CDU-Spitzen gestern und heute.

Offiziell freilich sollte es genau das nicht sein. Es sei keine Anklageschrift, sagte Weiss, und schon gar kein Kreuzzug. Das Buch räume vielmehr auf mit „einer Reihe gezielter Legenden“, zum Beispiel jener aus Nach-Wende-Zeiten, dass „die Vertreter der Blockparteien aufrichtige Oppositionelle“ gewesen seien. „Wenn Opportunisten anfangen, mit dem Finger auf andere zu zeigen, wird es ärgerlich“, meinte Weiss. „Wenn sie gar zu Richtern und Anklägern werden, wird es gefährlich.“

Damit war der Tenor vorgegeben: Es geht um die CDU. Mit einer Fülle von Details will Nolle das belegen, was er „unwahrhaftigen Umgang mit der eigenen Biografie“ nennt. Das wirft er Ex-Innenminister Heinz Eggert vor, aber auch Landräten, Bürgermeistern, Landtagsabgeordneten – und Tillich. Dabei hat Nolle oft genug bewiesen, dass er keine Scheu hat vor beinharter Polemik. Gestern aber gab er sich an einem Punkt differenziert. „Nicht die Biografien sind eine Schande“, betonte er mehrfach, „sondern der Umgang damit.“Der Sinn der Übung ist klar: Nolle, der Westdeutsche, will so einer unschönen Ossi-Wessi-Konfrontation entgehen. Es gehe ihm eben nicht um die Ostdeutschen schlechthin, sagte er, sondern um jene kleine Schicht von Block-Funktionären, die ihre Rolle in der DDR heute vergessen hätten.

Das hatte im Vorfeld für einige Verwerfungen gesorgt. So hat Tillich den Vorwurf, er habe Details seiner Leitungsfunktion im ehemaligen Rat des Kreises Kamenz vertuscht, zwar stets dementiert. Der Umgang mit der eigenen Geschichte aber beschäftigt längst auch die Gerichte. Und für Fortsetzung ist gesorgt. Parallel zur Buchvorstellung gestern machten neue Vorwürfe die Runde. Im Rat des Kreises, berichtete die Tageszeitung Die Welt, habe Tillich an der Enteignung eines Einfamilienhauses mitgewirkt – noch im Dezember 1989.

Die CDU reagierte gewohnt heftig. Eggert will das Werk juristisch prüfen lassen und gegebenenfalls klagen, Generalsekretär Michael Kretschmer verglich Nolle gar mit Karl-Eduard von Schnitzler: „Das Buch erinnert mich sehr an den Schwarzen Kanal“, sagte er. Nolle reihe Vorwürfe aneinander, um ein gewünschtes Bild zu erzeugen. Der Auftritt von Weiss und – vor allem – von SPD-Generalsekretär Dirk Panter gestern im Landtag demonstriere, „dass das keine Einzelaktion eines verwirrten Mannes ist, sondern eine abgestimmte Wahlkampfstrategie der SPD“. Eine Zusammenarbeit mit der SPD in der Koalition sei so nicht mehr möglich – jetzt nicht und auch nicht nach dem Wahltag Ende August.
Von JÜRGEN KOCHINKE