Karl Nolle, MdL

Dresdner Morgenpost, 20.06.2009

Fall Tillich: Brisante Akte aus Archiv verschwunden

 
DRESDEN- Die Dabatte über die Vergangen¬heit von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) findet kein Ende: Erneut kommen Details aus seiner Zeit als CDU-Kreisrat ans Licht. Diesmal soll Tillich 1989 an zwei Zwangsenteignungen von Wohnhäusern im Kreis Kamenz beteiligt gewesen sein!

„Entzug des Eigentumsrechtes" wurde es in der DDR genannt. Letztlich waren es Zwangs¬enteignungen, die tausende Bürger erdulden mussten, wenn sie um Haus und Hof gebracht wurden. An zwei solcher Enteignungen war 1989 auch der damalige Vize-Vorsitzende für Handel und Versorgung, Stanislaw Tillich, be¬teiligt. Eine im Juli, die andere im Dezember, al¬so nach dem Mauerfall! Der Rat stimmte immer einstimmig. Und Tillich war dabei. Das bewei¬sen Protokolle, die der Morgenpost vorliegen.

Tillich, der bislang behauptete, 1987 in die CDU eingetreten zu sein, um seine „Ruhe vor der SED" zu haben, war also noch tiefer als bis¬lang ‚zugegeben ins DDR-System verstrickt. Und offenbar wird gerade jetzt versucht, dies noch zu vertuschen!

„Ein Mitarbeiter von mir hat am 6. November 2008 im alten Kreisarchiv in Kamenz recherchiert", so der SPD-Abgeordnete Karl Nolle. „Er hat zu beiden Enteignungen umfangreiche Akten gelesen, durfte sie aber nicht kopieren." Wenig später sei plötzlich ein Mitarbeiter aus Tillichs Staatskanzlei aufgetaucht, erinnert man sich im Archiv. Er durchforstete ehenfalls die Akten. Als jetzt am Dienstag Uwe Müller, Korrespondent der Tageszeitung „Die Welt", in Kamenz recherchierte, war die brisante Dezember-Akte leer. Müller: „Mir wurde, im Gegensatz zum Juli Fall, nur das Deckblatt ausgehändigt. Der Rest fehlte."

Drei Stunden wartete Müller auf seine Kopien, die er nicht selbst anfertigen durfte. In dieser Zeit wurde, wie er später erfuhr, die Staatskanzlei über seine Recherchen informiert. Auf seine verwunderte Nachfrage beim zuständigen Landratsamt in Bautzen, antwortete Franziska Snelinski, Büroleiterin des Landrates Michael Harig: „Die Information der Archivmitarbeiterin über die Recherche erfolgte auf Grund einer innerbetrieblichen Anweisung im Fachbereich:" Übersetzt: Es gab den klaren Auftrag der Staatskanzlei zu melden, wenn in Sachen Tillich nachgeforscht wird!

Melanie Ottenbreit, Sprecherin der Staatskanzlei: „Die Staatskanzlei hat mit einem eventuellen, hier nicht bekannten Verlust von Akten nichts zu tun." JU