Karl Nolle, MdL

Freie Presse, 20.06.2009

"Sehr viele Menschen wollen Klarheit über die Vergangenheit"

Sächsischer Stasi-Unterlagenbeauftragter Michael Beleites hält Diskussion über „Blockflöten" für wichtig — Doch die einfache Schwarz-Weiß-Debatte hätten die Leute satt
 
Dresden. Die Blockflöten-Debatte ist wichtiger als die Stasi-Debatte, meint Michael Beleites, sächsischer Landesbeauftragter für die Stasiunterlagen. Über die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit und das Nolle-Buch über „Blockflöten" sprach Hubert Kemper mit ihm.

Freie Presse: Ist 20 Jahre nach der Wende die Aufarbeitung der DDR immer noch nicht abgeschlossen?

Michael Beleites: Nein. Die Auseinandersetzung mit Geschichte ist prinzipiell nicht abschließbar. Aber er Umgang mit der DDR-Geschiche verändert sich, und das ist völlig normal.

Freie Presse: Ist der Übergang früherer Mitglieder der CDU-Blockpartei in die heutige Union aus Ihrer Sicht zu nahtlos verlaufen?

Beleites: Es sind ja zwei Blockparteien in die heutige Union aufge¬nommen worden. Die Rolle der Mitglieder der früheren „Demokratischen Bauernpartei Deutschlands" (DBD) darf man da nicht übersehen. Dieser „Übergang" ist ja ein seit 20 Jahren währender Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist. Da ist auch heute noch manches aufzuarbeiten. Man darf aber nicht verges¬sen, dass sich die sächsische CDU intensiver mit diesen Fragen auseinandergesetzt hat als die Union in den anderen Ost-Ländern.

Freie Presse: Welche Rolle haben aus Ihrer Sicht Blockpartei-Funktionäre im DDR-Machtgefüge gespielt?

Beleites: Die Funktionäre der Blockparteien haben — im Gegensatz zu den normalen Mitgliedern — meist das SED-System gestützt. Manchmal haben sie aber auch ge¬ringfügige Freiräume für Selbstständige und Handwerker organisiert.

Freie Presse: überwiegt zwei Jahrzehnte nach der friedlichen Revolution in Ostdeutschland der Wunsch, die Vergangenheit ruhen zu lassen?

Beleites: Sehr viele Menschen wollen Klarheit über die Vergangenheit. Die Jugend interessiert sich immer mehr dafür, woher die Befan¬genheiten kommen, die sie bei vielen Älteren spüren. Die einfache Schwarz-Weiß-Debatte haben die Leute aber satt. Zu recht.

Freie Presse: Ein Buch über „Blockflöten", wie es gestern der SPD Landtagsabgeordnete Karl Nolle vorgestellt hat Welchen Beitrag kann es zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte leisten?

Beleites: Es könnte einen ganz wichtigen Beitrag leisten, wenn da nicht das parteipolitische Motiv im Vordergrund stünde. Die Blockflöten-Debatte ist wichtiger als die Stasi Debatte. Sie hat nämlich das Potenzial dazu, das Gespräch über die subtilen Wirkungen und Nachwirkungen der Diktatur zu befördern. Aus der Geschichte lernen können wir, wenn wir der Frage nachgehen „Wie konnte das so funktionieren?" Aus der Frage „Wer war dabei?" kann man nichts lernen.