Karl Nolle, MdL
Dresdner Morgenpost, 21.06.2009
Neue Akten-Affäre Tillich: Parteien wollen Wahrheit!
DRESDEN - Große Aufregung bei Sachsens Parteien nach dem Morgenpost Bericht über zwei Zwangsenteignungen 1989, an denen der heutige Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) beteiligt war und dessen Umgang mit dem Fall heute. Quer durch die Landtags-Fraktionen wird Aufklärung gefordert!
Nach der „Biografie-Affäre" min der neue Fall Tillich: Laut der alten Protokolle des Kamenzer Kreisrates, hat Tillich im Juli und Dezember 1989 zwei Zwangsenteignungen zugestimmt. Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle deckte diesen Fakt in seinem Buch „Sonate für Blockflöten und Schalmeien" auf.
Nolles Mitarbeiter las vorigen November die umfangreichen Akten zu beiden Fällen im alten Kreisarchiv. Später untersuchte sie auch ein Mitarbeiter der Staatskanzlei. Als „Die Welt"-Korrespondent Uwe Müller die Akten vorigen Dienstag sehen wollte, erhielt er vom Dezember-Fallnur eine Kopie des Deckblattes. Der Rest war verschwunden.
Zeitgleich wurde die Staatskanzlei über seine Recherchen informiert. Vom Landratsamt Bautzen heißt es dazu schriftlich, dass es eine entsprechende Dienstanweisung über die unverzügliche Unterrichtung gibt. Alle Parteien fordern nun von Tillich restlose Aufklärung!
Von Jens Jungmann
"Das gehört aufgeklärt"
FDP-General Torsten Herbst:
„Der Vorgang ist sehr verwunderlich, die Art und Weise bedenklich. Ich erwarte Aufklärung darüber, was mit den Akten passiert ist. Die Wahrheit muss auf den Tisch." Zu den Zwangsenteignungen: „Ich kann nicht bewerten, wie damals im Rat gestimmt wurde. Ich gehe aber davon aus, dass er alles mitgemacht hat, was damals entschieden wurde."
Ex-Innenminister Heinz Eggert (CDU):
„Zum Fall 1989 sage ich, wer beim Rat gearbeitet hat, hat auch die Beschlüsse mit umgesetzt. Das war normal. Aber Herr Tillich hätte von vornherein offen damit umgehen müssen." Eggert persönlich war 19 90 dagegen, ehemalige Funktionsträger in den Staatsdienst zu übernehmen. Zu den verschwunden Akten: "Es ist seltsam, dass sie weg sein sollen. Das gehört aufgeklärt."
Linke-Fraktions-chef Andrd Hahn:
„Ich erwarte vom Ministerpräsidenten,dass er sich am Mittwoch im Landtag zu diesem Fall äußert. Er muss sich erklären. Es kann nicht sein, dass die Staatskanzlei nach Gutsherrenart die Archive dirigiert und die Pressefreiheit einschränkt. Wenn alles zutrifft, muss die CDU überlegen, ob Tillich der richtige Mann ist."
Martin Dulig, SPD-Fraktionschef:
„Das ist die klassische Doppelmoral der CDU, die skrupellos in der Nationalen Front mitgearbeitet hat. Der neue Vorwurf hat aber eine ganz andere Dimension als die Biografie-Debatte. Die Methoden, mit der nun offenbar die Akten unterdrückt werden sollen, hat die CDU wohl aus DDR-Zeiten übernommen. Wir leben doch nicht mehr im rechtsfreien Raum! Wir werden nachfragen, was da los gewesen ist in Kamenz ünd welchen Anteil die Staatskanzlei an der Geschichte hat."
Antje Hermenau, Grünen-Fraktionschefin:
„Ich erwarte natürlich Aufklärung.Ich habe den Eindruck, die Staatskanzlei verhält sich wie die SED, und die Behörden reagieren schon mit vorauseilendem Gehorsam. Was läuft da? Ich erneuere meine Forderung, dass wirklich alle Akten über Herrn Tillich unabhängig vom Verfassungsgericht in Leipzig begutachtet werden sollten. Und das sagt dann, ob er 1990 den strengen Anforderungen für Beamte entsprochen hätte." JU