Karl Nolle, MdL

welt-online.de, 23.06.2009

Neue Dokumenten belasten Tillich in der Enteignungsaffäre

 
Berlin – In der sogenannten Enteignungsaffäre gerät Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) weiter in Erklärungsnot. Als DDR-Staatsfunktionär hatte er noch vier Wochen nach dem Mauerfall daran mitgewirkt, ein Einfamilienhaus im sächsischen Kamenz in Volkseigentum zu überführen. Die von Tillich mit herbeigeführte Enteignung war allerdings selbst nach den Gesetzen der DDR rechtswidrig und stellte einen Willkürakt dar. Das belegen Dokumente, die der in Berlin erscheinenden Tageszeitung DIE WELT (Dienstagausgabe) vorliegen.

Der Zeitung bezieht sich in ihrem Bericht auf eine vom Landratsamt Kamenz am 23. Januar 1991 getroffene „Entscheidung über die Rückübertragung“ des Grundstücks. Darin wird der von der Enteignung betroffenen Familie, die 1947 nach Süddeutschland geflüchtet war, mitgeteilt, die Umschreibung des Grundstückes in Volkseigentum nach dem DDR-Baulandgesetz entsprach "nicht den Bestimmungen dieses Gesetzes". Sie sei "demzufolge rückgängig zu machen“, zitiert die WELT aus der Entscheidung.

Nach Aktenlage war die Enteignung dem Bericht zufolge offenbar ideologisch motiviert. Sogenannte Westgrundstücke stellten im SED-Staat ein Ärgernis dar. Der „Entzug des Eigentumsrechts“, wie die Maßnahme im DDR-Jargon hieß, wurde am 7. Dezember 1989 vom Rat des Kreises Kamenz bestätigt. Diesem höchsten politischen Entscheidungsgremium auf Kreisebene gehörte Tillich in exponierter Funktion an – er war einer von fünf Stellvertretern des SED-Vorsitzenden. Seine Anwesenheit während der entsprechenden Ratssitzung ist durch seine Unterschrift auf einer dem Protokoll beigefügten Anwesenheitsliste belegt.

Wegen der offenkundigen Rechtswidrigkeit wurde die Immobilie bereits 1992 rückübertragen.