Karl Nolle, MdL

Freie Presse, 02.07.2009

Tillich zur Gretchenfrage: "Hatte keine Stasi-Kontakte"

Sachsens Ministerpräsident geht im Streit um seine Biografie in die Offensive
 
Dresden. An der Schwelle zum heißen Landtagswahlkampf hat Stanislaw Tillich (CDU) gestern versucht, reinen Tisch zu machen. Dazu trat der sächsische Ministerpräsident vor die Presse, um möglichst die letzten Zweifel an seiner DDR-Biografie zu tilgen. Lange, zu lange schwelt der Streit um seine Funktionen in der späten DDR, gerichtliche Auseinandersetzungen um Auskunft, eingeschlossen. Es geht um die Gretchenfrage.

„Nein, ich habe nie für das MfS gearbeitet", beantwortete sie Tillich nun klar und deutlich und ging damit erstmals in die Offensive. Er war Ende der 198oer Jahre bis weit in die Wendezeit hinein mit einem CDU-Parteibuch im Rat des Kreises Kamenz als Stellvertretender Ratsvorsitzender für Handel und Versorgung tätig gewesen. Seit sein Lebenslauf öffentlich diskutiert wird, tat sich Tillich anfangs schwer mit Details. Gestern schien vieles anders. Daran hat offenbar das Blockflöten-Buch des SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle einigen Anteil, das der sozialdemokratische Querkopf vor zehn Tagen veröffentlicht hat. Zuvor trieb Nolle Tillich über Monate mit immer neuen Details aus dessen Leben vor sich her.

Zuletzt ging es vor allem um Stasikontakte und in diesem Zusammenhang um Fragebögen: 1999 hatte Tillich an der Schwelle zur Berufung als Europa-Minister die Frage nach dienstlichen Stasi-Kontakten verneint, im November 2008 aber zwei dienstliche Stasi-Kontakte eingeräumt. Aus der Logik des damali gen Erklärungsbogens habe sich für ihn ergeben, „dass ich eine solche Frage verneine", kommentierte Tillich jetzt. Er sieht darin keinen Widerspruch, weil im Sinne des Fragebogens mit Kontakten eine Mitarbeit gemeint gewesen sei.
„Ich stehe zu meiner Biografie", unterstrich er und spielte auf seinen Sitz im Rat des Kreises an. Auch wenn er heute seine damalige Tätigkeit anders sehe. "Es ist kein Ruhmesblatt" Als er im Frühjahr 1989 in den engsten Ratszirkel aufstieg, „gab es zwar die Perestroika, aber wer konnte wissen, dass das System in Kürze zusammenbricht".

Zwischen den Zeilen heißt das: Tillich war kein Wende-Held. Er hat sich verhalten wie die übergroße Mehr heit der DDR-Bürger. Kritiker sehen dennoch Unterschiede in der Behandlung von Biografien. Ähnliche DDR-Lebensläufe wie der von Tillich hätten nicht selten ins gesellschaftliche Aus geführt, heißt es. Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer warnte vor der fortgesetzten „Instrumentalisierung von DDR-Biografien". Es solle zwar noch keinen Schlussstrich unter jene Zeit geben, „denn beim Thema Stasi hört der Spaß auf. Aber 20 Jahre nach der Wende sollte man doch eine DDR-Debatte ohne Schaum vorm Mund führen können." Er selbst war Pionier und in der FDJ, nur „das war nicht prägend". Insofern verkörpere Tillich für ihn den typischen Ostdeutschen. -
VON UWE KUHR