Karl Nolle, MdL

Agenturen, ddp-lsc, 18:16 Uhr, 02.07.2009

Tillich wegen Angaben zu seiner DDR-Vita von 1999 weiter unter Druck

Kritik von Koalitionspartner SPD sowie Grünen und Linken
 
Dresden (ddp-lsc). Knapp zwei Monate vor der Landtagswahl kommt die Affäre um den Umgang von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) mit seiner DDR-Vita nicht zur Ruhe. SPD-Generalsekretär Dirk Panter forderte Tillich am Donnerstag auf, «noch vor dem Landtagswahlkampf wirklich alle nötigen Informationen offen auf den Tisch» zu legen. Kritisch äußerten sich neben den oppositionellen Grünen und Linken auch der Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, sowie der Dresdner Jurist Christoph Jestaedt.

Tillich hatte am Mittwoch erstmals bekannt, auf einem Erklärungsbogen 1999 zu seinem Amtsantritt als sächsischer Minister die Frage nach dienstlichen Stasi-Kontakten verneint zu haben. Dies habe sich für ihn aus der Logik des Erklärungsbogens ergeben. Er sieht deshalb auch keinen Widerspruch dazu, dass er im November 2008 zwei dienstliche Stasi-Kontakte eingeräumt hatte.

Wegen Tillichs lange Zeit geheim gehaltener Antworten 1999 befindet sich der Freistaat im Rechtsstreit mit dem Magazin «Der Spiegel» und der Tageszeitung «Die Welt». Im Herbst 2008 war der 50-jährige Regierungschef zunächst deshalb in die Kritik geraten, weil er seinen Posten als für Handel und Versorgung zuständiger Stellvertreter des Rates des Kreises Kamenz in früheren Lebensläufen nicht ausdrücklich erwähnt hatte.

Linke-Landtagsfraktionsvize Klaus Tischendorf sprach von «vier falschen Antworten» Tillichs auf dem Erklärungsbogen. «Jeder andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in Sachsen wäre dafür hochkant rausgeflogen», sagte er. Tischendorf zählte auf, dass Tillich nicht nur seine Stasi-Kontakte verschwiegen, sondern auch seine Funktion als Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Kreises in Kamenz nicht angegeben und seine Zugehörigkeit zur DDR-Nomenklatur sowie sein Kreistagsmandat für die Blockpartei CDU geleugnet habe.

Regierungssprecher Peter Zimmermann hatte indes bereits im Mai kein Versäumnis Tillichs gesehen. Das Mandat sei notwendig gewesen, um Mitglied im Rat des Kreises zu sein - und jene «höchste ausgefüllte Position» habe Tillich angegeben.

Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau sagte, Tillich könne nun «nicht einmal mehr überzeugend den Vorwurf zurückweisen, den Fragebogen sachlich falsch ausgefüllt zu haben». Er habe «den richtigen Zeitpunkt verpasst, reinen Tisch zu machen». Dabei wäre er «bei der Mehrheit der Sachsen mit einer offenen und ehrlichen Linie» auf Verständnis gestoßen.

Der Dresdner Verwaltungsrichter Jestaedt sagte, Tillich «hätte die dienstlichen Treffen mit den Stasi-Leuten natürlich angeben müssen». Dem Historiker Knabe zufolge ist Tillichs Problem nicht, dienstlich Stasi-Besuch bekommen zu haben, sondern wie er damit umgehe – und dass er «offenbar im Fragebogen nicht wahrheitsgemäß geantwortet» habe. Der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle sprach von einem Zusammenbruch der Glaubwürdigkeit Tillichs.

Das Verwaltungsgericht Dresden hatte beim Rechtsstreit mit dem «Spiegel» keine Auskunftspflicht zum Stasi-Fragenkomplex gesehen. Nach der Beschwerde des Magazins ist der Fall vor dem sächsischen Oberverwaltungsgericht anhängig. Im Eilverfahren der «Welt» hatte das Verwaltungsgericht den Beteiligten eine Entscheidung bis Mitte Juli angekündigt. Am 30. August wird ein neuer Landtag gewählt.

(Weitere Quellen: Nolle; Panter; Hermenau und Tischendorf in Mitteilungen; Jestaedt auf «Spiegel Online»; Knabe in MDR-«Sachsenspiegel» vom Mittwoch)
Von Tino Moritz

ddp/tmo/pon
021816 Jul 09