Karl Nolle, MdL

Dresdner Morgenpost, 03.07.2009

Zweierlei Maß

Kommentar von Jens Jungmann
 
Es ist zum Haare raufen! Kaum scheint der eine Vorwurf gegen Stanislaw Tillich vom Tisch, kommt der nächste gegen den Ministerpräsidenten hoch! Diesmal dreht es sich wieder um seine Personalakte. Denn offenbar hat Tillich den Stasi-Komplex seines Fragebogens falsch ausgefüllt. Andere sagen, er hat gelogen.

Die Erklärungsoffensive der Staatskanzlei läuft auf Hochtouren und damit der Versuch, die Deutungshoheit zu behalten. Doch die ist längst verloren. Die Aussagen der Kanzlei sind kaum noch ernst zu nehmen.

Selbst die Kompetenz des Chefs des Dresdner Verwaltungsgerichtes wird hinter vorgehaltener Hand angezweifelt. Die Kompetenz des Mannes, der einst die Fragebögen für die Regierung unbeanstandet bewertet hat. Angezweifelt wird er jetzt, weil sich offenbar die Kriterien der Staatskanzlei plötzlich geändert haben!

Fakt ist: Der Ministerpräsident hat ein massives Glaubwürdigkeitsproblem. Wenige Tage vor dem entscheidenden Gerichtsurteil geht er (wie erwartet) in die Offensive. Doch das war eindeutig zu spät. Die Chance, all die offenen Fragen zu seiner Biografie und seiner Akte zu beantworten, hat Stanislaw Tillich verpasst. Zumal selbst nach dieser „Offensive" wieder herumgeeiert wird.

Im Herbst vorigen Jahres, als erste Vorwürfe gegen Tillich laut wurden, da hätte er reinen Tisch machen müssen. Da hätte er klar und deutlich sagen können, was er wann und wo getan hat. Und vor allem, was er in seinem Fragebogen wirklich angekreuzt hat.

Zu jenem Zeitpunkt hätte die Staatskanzlei alle Vorwürfe mit Offenheit abfangen und erklären können. Doch sie stellte sich stur: Unliebsame Medien werden bis heute verklagt. Andere werden mit Schein-Argumenten abgespeist, die sich leicht widerlegen lassen. Wieder andere werden nicht mehr zu Gesprächsrunden eingeladen. Das Vertrauen in den MP und vor allem in seine Kanzlei ist schwer erschüttert.

Zurück bleibt ein Ministerpräsident, der vielleicht alles ganz anders handhaben wollte, wie er am Mittwoch indirekt sagte. Aber er hat auf die falschen Pferde gesetzt und hält weiter an ihnen fest.