Karl Nolle, MdL

Dresdner Morgenpost, 03.07.2009

Dienstliche MfS-Kontakte verschwiegen

Tillich und die Stasi: Lüge oder „Missverständnis“?
 
DRESDEN - Der Fall Tillich und seine Personalakte: Erstmals erklärt MP Stanislaw Tillich (CDU), dass er in seinen Fragebogen 1998 in Bezug auf Stasi-Kontakte mit „Nein" geantwortet hat. Was offenbar falsch ist! Dies stellt selbst der Richter fest, der damals die ausgefüllten Fragebogen bewerten musste.

Seit Monaten gärt die Debatte um den Personalfragebogen, den Tillich 1998 ausfüllen musste. Auf Grund falscher Antworten wurden einst hunderte Staats-Angestellte entlassen. Bislang schwieg der MP eisern zu seinen Antworten. Die Staatskanzlei mauerte. Vor allem die Frage, wie er es mit der Stasi hielt, blieb komplett unbeantwortet. „Welt" und „Spiegel" klagen vor Gericht - ab heute wird das Urteil erwartet.

Am Mittwoch ging der MP vor der Landespresse in die Offensive: „Ich habe mir nichts vorzuwerfen!" Und: "Ich habe nichts falsch beantwortet!" Begründung: „Ich habe nicht für das MfS gearbeitet, das ist in meiner Stasi-Akte nachzulesen." Weiter: „Ich habe den Komplex auf dem Fragebogen daher mit Nein beantwortet.”

Doch der „Komplex" beinhaltet vier Stasi-Fragen: Frage eins, ob er offiziell oder inoffiziell für die Stasi tätig war, beantwortete Tillich ebenso mit „Nein" wie Frage zwei, ob er von der Stasi je Auszeichnungen oder ähnliches erhielt. Frage drei, ob er je von der Stasi zur Mitarbeit aufgefordert worden sei, verneinte er ebenso.

Frage vier des Komplexes hinterlässt mehr als große Fragezeichen: „Haben Sie dienstlich, aufgrund gesellschaftlicher Funktionen oder sonst wie Kontakt zu den genannten Stellen gehabt." Tillich antwortete 1998 mit „Nein". Doch Ja", wäre richtig gewesen - da die Stasi, wie er selbst vor Monaten einräumte, mindestens zwei Mal in seinem Büro saß. Die Staatskanzlei argumentiert nun, dass eben solche Kontakte nicht gefragt waren. Die Frage würde „missverstanden", es sei eine „Kontrollfrage zur Frage 1". Dann verschickt sie noch ein „Handout für Hintergrundgespräche" mit diesen Argumenten.

Wie die Frage wirklich zu verstehen war, weiß Christoph Jestaedt, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Dresden: Er war einst Chef jener Kammer, die sich mit falsch ausgefüllten Fragebögen beschäftigte. Jestaedt zu Spiegel-Online: "Herr Tillich hätte die dienstlichen Treffen mit den Stasi-Leuten natürlich angeben müssen. Dabei obliegt die Deutungshoheit über die Fragen nicht demjenigen, der sie ausfüllt. Niemand kann ihnen plötzlich einen anderen Sinn unterschieben."

SPD-General Dirk Panter verfolgt „mit Sorge, die nicht abebbende Debatte". Klaus Tischendorf (Linke): "Jeder andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes wäre dafür hochkant rausgeflogen." Der MP gehe davon aus, „dass für ihn andere Maßstäbe gelten als für Normalsterbliche." „Eine halbherzige Erklärung folgt der nächsten. Herr Tillich verspielt seine persönliche Glaubwürdigkeit", so Grünen-Fraktions-Chefin Antje Hermenau: „Es ist höchste Zeit, mit den Lebenslügen Schluss zu machen!"
von Jens Jungmann