Karl Nolle, MdL

Frankfurter Rundschau, 01.07.2009

Sachsen-SPD: Großer Krach in kleiner Partei

 
Eigentlich sind Ferien. Eigentlich pausiert der sächsische Politikbetrieb seit vergangener Woche, bevor der Landtagswahlkampf im August losgeht. Doch in der SPD, beim Juniorpartner des CDU-Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich, gärt und gurgelt es weiter: "Wenn die Familie mit hineingezogen wird, ist der Bogen überspannt", sagte SPD-Chef und Wirtschaftsminister Thomas Jurk den Dresdner Neuesten Nachrichten.

Jurk meinte den SPD-Abgeordneten Karl Nolle, der in seinem wütenden Buch über die DDR-Blockpartei CDU auch Veronika Tillich, die Frau des Ministerpräsidenten, angeht: Die sei "Propagandistin" in der DDR gewesen. Für den in der DDR groß gewordenen Ostsachsen Jurk war das zu viel. Die Familie angreifen? Eine Frau, die heute kein Parteiamt innehat? "In der politischen Auseinandersetzung gibt es für mich ein klare Grenze", so Jurk.

Karl Nolle, der aus Hannover eingewanderte Druckereibesitzer, pflegt einen aggressiveren Stil als Jurk. Den Wüterich treiben Gerechtigkeitsempfinden und Eitelkeit. Er wirkte am Abgang der CDU-Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf und Georg Milbradt mit. Nolle trifft häufig einen Nerv - aber nie den richtigen Ton.

Stanislaw Tillich, seit 2008 Ministerpräsident, war zu DDR-Zeiten Mitglied des Rates des Kreises Kamenz. Ein Funktionär in der dritten oder vierten Reihe, zuständig für die Verteilung nicht vorhandener Bananen. Immerhin soll Tillich noch 1989 an zwei Enteignungen beteiligt gewesen sein.

"Keine Schande"

Selbst Nolle sagte, Tillichs Biografie sei "keine Schande" - nur sein Umgang damit. Womit er das ungeschickte Manipulieren von Tillichs Biografie auf offiziellen Internetseiten meint, auf denen Teile aus Tillichs DDR-Leben plötzlich entfernt wurden.

Die Union spricht nicht über Tillichs Vergangenheit, die SPD verschluckt sich daran. Sie ist gespalten in diejenigen wie Jurk, die etwa so argumentieren: Nach 20 Jahren ist es mal gut; Tillich hat auf niemanden geschossen, niemanden bespitzelt. Auf der anderen Seite diejenigen wie Nolle oder Fraktionschef Martin Dulig, die das selbstgerechte und scheinheilige Gehabe der ewigen Regierungspartei CDU nervt. Sie sind es leid, wegen möglicher rot-roter Bündnisse ständig in den Verdacht des Landesverrats gerückt zu werden.

Die sächsische SPD war immer schon zerrissen, fuhr die deutschlandweit schlechtesten Ergebnisse ein, wurde trotzdem Koalitionspartner der CDU. Wenn die Landtagswahl am 30. August ausgeht wie die Umfragen, macht Tillichs Union danach mit der FDP weiter. Die SPD säße auf der Oppositionsbank - die hat Nolle nie verlassen.
VON BERNHARD HONNIGFORT

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Leserbriefe aus der Frankfurter Rundschau vom 4.7.09

Tillich muss endlich antworten

Zu "Großer Krach in kleiner Partei" vom 1. Juli

Sachsens Ministerpräsident Tillich (CDU) hat dem Unrechtsstaat DDR als kommunaler Führungskader treu gedient. Wäre dem nicht so, würde die Dresdener Staatskanzlei nicht seit Monaten sämtliche Anfragen zu einem Fragebogen, den der CDU-Regent 1999 ausfüllen musste, vor der Öffentlichkeit blockieren. Seit dem Mauerfall sind auch in Sachsen viele Arbeitsverhältnisse aufgrund des Bogens beendet worden. Die Weigerung des CDU-Politikers Tillich vollständige Angaben zu seinen Verstrickungen zu machen, zeigt nur, dass Sachsens Ministerpräsident immer mehr zu einer politischen Altlast avanciert .
Albert Alten, Wernigerode