Karl Nolle, MdL

SachsenZeit, www.sachsenzeit.de, 07.07.2009

Letzter Ausweg Bild-Zeitung - Der tiefe Fall des Stanislaw T.

In einer Liga mit Bohlen, Becker und Pechstein? Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) schaffte es mit der Veröffentlichung seines Fragebogens sogar auf die Titelseite der Bild-Zeitung.
 
Dresden. Manch einer nimmt in einer derart ausweglosen Situation seinen Hut, andere einen Anwalt, wieder andere vertrauen sich Deutschlands größter Boulevard-Zeitung an. So auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU). Ausgerechnet der Bild-Zeitung vertraut der seit Monaten unter Druck stehende Unions-Spitzenkandidat für die Landtagswahl Ende August sein bestgehütetes Geheimnis an, lässt dem Blatt aus dem Hause Springer sogar eine Kopie des Fragebogens zukommen, um den sich die ganze Causa Tillich dreht. Immerhin klagt ein anderes Springer-Blatt "Die Welt" seit Monaten in der Sache, um Antworten zu erhalten.

Was aussehen soll wie ein Befreiungsschlag verkommt allerdings zur Lachnummer. Tillich behauptet im Interview allen ernstes, dass er auf die Frage "Haben Sie dienstlich, aufgrund gesellschaftlicher Funktionen oder sonstwie Kontakt zu den in Nummer 1 genannten Stellen gehabt?" völlig korrekt mit "Nein" geantwortet habe. Tillich in der Bild-Zeitung: "Denn diese zwei Begegnungen mit der Staatssicherheit waren absolut ungeplant und unausweichlich." Wohlgemerkt bei der Frage ging es nicht um eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit, sondern um Kontakt. Tillich hatte an anderer Stelle bereits eingeräumt zweimal von der Stasi befragt worden zu sein. Dazu bemerkt der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht in Dresden, Christoph Jestaedt (CDU), laut Spiegel online: "Er hätte die dienstlichen Treffen mit den Stasi-Leuten natürlich angeben müssen", ist sich der Jurist sicher. Auch die anderen zwei Antworten seien sachlich unrichtig. "Die Antworten müssen so klar wie möglich ausfallen. Dabei obliegt die Deutungshoheit über die Fragen nicht demjenigen, der sie ausfüllt. Niemand kann ihnen plötzlich einen anderen Sinn unterschieben."

Wie verzweifelt Tillich und sein engeres Umfeld, allen voran der Chef der Staatskanzlei, Johannes Beermann, sein müssen, zeigt das Vorgehen des von der Staatskanzlei beauftragten Rechtsanwaltes Gernot Lehr. Danach hat der Jurist am 3. Juli den Pressesprecher des Verwaltungsgerichts Robert Bendner angerufen und um eine Klarstellung bezüglich der Äußerung von Richter Jestaedt gebeten in der Art, dass sich das Gericht von der Aussage Jestaedts distanziert. Dies hat Bendner nach eigenen Angaben abgelehnt. SPD-Mann Karl Nolle in einem Schreiben an Rechtsanwalt Lehr:

"Wenn Herr Staatsminister Beermann sich Ihrer bedient, um auf das Verwaltungsgericht Dresden einen unzulässigen Druck auszuüben, dann ist es lediglich eine Geschmacksfrage, ob er diese Aktion selbst oder eben durch einen Handlanger vornehmen lässt."

Antje Hermenau, Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen im Landtag kommentiert Tillichs Befreiungsschlag so: "Na endlich. Doch: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!. Dieser Gorbatschow-Spruch trifft auch auf Stanislaw Tillich zu." Was wie ein grüner Wunschtraum klingt, könnte für Tillich schon bald zum Alptraum werden. Nicht nur auf den Fluren der CDU-Fraktion im Landtag wird derzeit heftig diskutiert, wie die Partei möglichst unbeschadet aus der Sache herauskommen könnte. Auch in Berlin blickt man mit zunehmender Sorge auf die Vorgänge in Sachsen. Schließlich ist nach der Landtagswahl vor der Bundestagswahl und die findet bekanntlich am 27. September statt.
Kommentar von von Gregor Tschung

> Hier ist der von Tillich ausgefüllte Fragebogen