Freie Presse, 10.04.2001
Regierung will Vorwürfe gegen Biedenkopf untersuchen lassen
Arbeitsgruppe soll Wohnverhältnisse des Ministerpäsidenten prüfen
Dresden (ddp-lsc). Die sächsische Staatsregierung will die Vorwürfe gegen Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) und seine Frau wegen ihrer Wohnverhältnisse umfassend prüfen lassen. Nach Absprache mit dem Regierungschef ordnete der Leiter der Staatskanzlei, Georg Brüggen (CDU), am Dienstag den umfassenden Bericht einer Arbeitsgruppe an. Anfang Mai sollen zunächst dem Landtags-Finanzausschuss und anschließend der Öffentlichkeit «alle Fakten und Sachverhalte» zum Dresdner Regierungsgästehaus, in dem die Biedenkopfs wohnen, präsentiert werden. Anlass sind Vorwürfe gegen den Ministerpräsidenten und seine Gattin, zu marktunüblichen Preisen die Immobilie genutzt und die Dienste von Angestellten auch privat in Anspruch genommen zu haben. Die Opposition aus PDS und SPD erneuerte ihre Kritik an den nach ihrer Ansicht unübersichtlichen Wohnverhältnissen. Beide Fraktionen bemängelten ferner, dass zur Aufhellung eigens ein Gremium eingesetzt werden müsse. Der Bericht soll Brüggen zufolge unter anderem klären, welche Gäste in der Immobilie in der Schevenstraße untergebracht, wie viel Beschäftigte dort unter Vertrag waren und wie Dienstleistungen vergolten wurden. zudem nehme die Arbeitsgruppe voraussichtlich auch Mietverträge und wirtschaftliche Erwägungen für den Betrieb des Hauses unter die Lupe. Brüggen sagte, unter bestimmten Bedingungen könnten Nachzahlungen nötig werden. Dies sei der Fall, wenn der Bericht ergebe, dass Leistungen wie Kochen, Putzen oder Fahrzeugnutzung ohne die vertraglich oder steuerrechtlich verankerte Bezahlung in Anspruch genommen wurden. Um Verdächtigungen auszuschließen, würde auch das Ehepaar Biedenkopf in die Recherchen einbezogen. Das Gremium aus Vertretern des Finanzministeriums und der Staatskanzlei leitet die Dresdner Regierungsvizepräsidentin Irmgard Weiß. Seine Arbeit sei mit dem ebenfalls prüfenden Landesrechnungshof abgestimmt. Kontakt soll es auch mit dem Datenschutzbeauftragten geben. Nach Auffassung der Sozialdemokraten sind die Reaktionen auf die in der vergangenen Woche erstmals geäußerten Vorwürfe Anzeichen dafür, «wie schnell die CDU ihren Ministerpräsidenten im Regen stehen» lasse. Bislang habe die SPD lediglich die günstige Kaltmiete von 8,15 Mark bemängelt, hob die parlamentarische Fraktionsgeschäftsführerin Barbara Ludwig hervor. Brüggen bringe nun aber drohende Konsequenzen für Biedenkopf ins Gespräch und verweise auf eventuelle «Leistungen ohne Gegenleistungen». Auch die PDS sparte nicht mit Kritik. Fraktionschef Peter Porsch benutzte die Formulierung vom «Biedenkopfschen Hofstaat», in dem offenbar davon ausgegangen worden sei, dass die bürgerlichen Regeln für den Ministerpräsidenten nie richtig gegolten hätten. Die Hintergründe für die offenbar der Presse lancierten Vorwürfe sind unterdessen weiter unklar. Staatskanzleichef Brüggen geht davon aus, dass die Opposition und Mitarbeiter der Verwaltung gezielt Tipps an Journalisten gaben. Im Übrigen habe Biedenkopf am Rande der Landtagssitzung am vergangenen Freitag mit dem von ihm als Finanzminister entlassenen CDU-Abgeordneten Georg Milbradt gesprochen. Brüggen ist nach eigener Darstellung jedoch nicht autorisiert, über Anlass und Inhalt zu berichten.