Dresdner Morgenpost, 11.04.2001
Brüggen hat Zweifel an eigener Aussage im Landtag
Affäre Biedenkopf: Jetzt nehmen Ihn Gutachter auseinander
DRESDEN – Ministerpräsident Kurt Biedenkopf ist zu Ostern in die USA gereist. Zu Hause wartet ein „dickes Osterei". Denn die Regierung hat gestern eine Sonderprüfung über sein luxuriöses Wohnen zum Schnäppchenpreis eingeleitet.
Staatskanzleichef Georg Brüggen stellte seine eigene Erklärung vor dem Landtag in Frage, die Dienste des Service-Personals im Gästehaus seien vertraglich fixiert.
Die Affäre Biedenkopf dreht sich immer wilder. Jetzt setzt die Staatskanzlei eine eigene Sonderprüfung über die günstigen Wohnbedingungen von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) und seiner Gattin Ingrid im Gästehaus der Staatsregierung an. Sie soll genau ermitteln, welche Leistungen sie in Anspruch nehmen und was davon wirklich zu rechtfertigen ist.
Staatskanzleichef Georg Brüggen (CDU) verkündete die Maßnahme gestern nach der Kabinettssitzung. Sie sei mit Biedenkopf abgestimmt. Dafür werde eine Arbeitsgruppe unter Vorsitz der Stellvertretenden Dresdner Regierungspräsidentin Irmgard Weiß eingesetzt.
Zugleich zog der Staatsminister im Kern seine eigene Erklärung vor dem Landtag zurück. Dort hatte er am Freitag vollmundig versichert, die Biedenkopfs hätten die Dienste von Koch, Putzfrau und anderen staatlichen Beschäftigten auf Basis des geschlossenen Mietvertrags in Anspruch nehmen können. Gestern musste Brüggen einräumen, dass auch diese Frage erst zu klären sei durch ein neutrales Rechtsgutachten.
In einer weiteren Expertise wird „die Angemessenheit der Mieten und Betriebskosten" geprüft (8,15 plus 3,80 Mark pro Quadratmeter). Und dann sprach Brüggen gleich von Nachzahlungen: Die müssten geleistet werden, falls die Prüfungen ergeben, dass unberechtigt Leistungen ohne Bezahlung in Anspruch genommen wurden.
Das könnte auf vieles zutreffen. So sollen die Prüfer auch nachschauen, welche Gäste wie lange zu welchem Preis in dem Anwesen in der Dresdner Schevenstraße wohnten. Brüggen mochte gestern nicht einmal versichern, dass die Biedenkopfs fürs Telefonieren bezahlen. Sogar der Status, in dem sie dort wohnen, sei zu klären: Sind sie Gäste? Ist es ihr Hauptwohnsitz?
Der gesamte Bericht soll dem Haushaltsausschuss des Landtags am 2. Mai vorgelegt werden. Dessen Vorsitzender Ronald Weckesser (PDS) erfuhr das Vorhaben von der Morgenpost. Im Sinne guter gegenseitiger Information solle die Sache behandelt werden, sicherte er spontan zu.
Auch der Rechnungshof, der parallel einen Bericht zum Komplex Gästehaus fertig stellt, solle über die Erkenntnisse der Ermittler informiert werden, erklärte Brüggen. Am 4. Mai will Biedenkopf von seiner Osterreise (USA und Chiemsee) nach Dresden zurückkehren.
PDS-Fraktions-Chef Peter Porsch begrüßte, dass die Regierung „endlich alle Karten auf den Tisch legen will". Sie gebe allerdings ein Zeugnis für ihr Chaos ab, indem sie dafür eine Arbeitsgruppe benötige. Barbara Ludwig, Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, sprach von letzten Rückzugsgefechten: „Die
Staatsregierung überrollt die Opposition mit Eingeständnissen eigenen Versagens."
(von Stefan Rössel)