Dresdner Morgenpost, 11.04.2001
Kein Staat für Freibeuter
Kommentar von Peter Rzepus
DRESDEN. Kaum ist der König außer Landes, kommen den Chef-Erklärern des Hofes Zweifel an den eigenen Bekundungen. Die Abwehrmauer um die Schevenstraße bröckelt. Jetzt soll das Innenleben des Gästehauses in allen Einzelheiten genau begutachtet werden - inklusive Vollservice.
Vor allem treiben Staatskanzleichef Georg Brüggen plötzlich Zweifel um, ob dieser Service (300.000 DM/Jahr) überhaupt in Biedenkopfs Vertrag mit seiner Nebenkostenpauschale (rund 600 DM/Monat für Heizung, Wasser und Müll) enthalten ist. Das hatte er noch am Freitag den Abgeordneten erzählt.
Zum Wohlgefallen der CDU-Fraktion, die sich prompt wieder eilig hinter Biedenkopf gestellt und vollmundig erklärt hatte, dass es keinen Zweifel an der Korrektheit der Regelungen gebe. Den Zweifel immerhin gibt es, und die Fraktion steht nun belämmert im Regen.
Was bisher zu Tage kam, nimmt schon den Atem, die blitzartige Wende der Staatskanzlei verursacht zudem Schwindel. Sollte am Ende aller Prüfungen herauskommen, dass alles nach Recht und Gesetz gelaufen ist, käme noch Ohnmacht dazu.
Das wäre der schlimmste Fall. Denn wenn der treue „Erste Diener" des Freistaates so einfach und völlig legal auch zum teuren „Ersten Gast" seines Landes geworden wäre, hätte das ernste Zweifel an Recht und Gesetz zur Folge. Dies ist ein Freistaat, kein Staat für Freibeuter.
So gesehen wäre es vermutlich besser, wenn die Gutachter auf Unkorrektheiten stoßen und die Betroffenen nachträglich zur Kasse bitten würden. Ob die Affäre damit beendet wäre, darf allerdings bezweifelt werden. Denn das eine wie das andere Ergebnis wäre gleichermaßen fatal.