Sächsische Zeitung, 09.04.2001
Jubilare Streuselkuchen Musizieren, Lobpreisen, Nachfragen
Ingrid Biedenkopf feiert ihren Siebzigsten
DRESDEN. Es war die Stunde der Rosenkavaliere. Für einen wie MDR-Chef Udo Reiter. "Darf ich eine rote Rose riskieren, Herr Ministerpräsident?", fragte er und drückte dessen Gattin Ingrid das Stück in die Hand. Frau Biedenkopf fiel ihm um den Hals, Reiter kam mit Lippenstift-Spuren auf der Backe davon. Es ging eben herzlich zu beim Defilee der Gäste gestern Mittag im Ballsaal eines Dresdner Hotels. In der Schlange staute sich, samt mitgebrachter Sträuße und Gestecke, fast das komplette sächsische Kabinett. Dazwischen Künstler wie Professor Ludwig Güttler oder Sportidol Jens Weißflog, der die Biedenkopfs vom gemeinsamen Kaffee trinken her kennt. 250 geladene Gratulanten kamen zum 70. Wiegenfest der Landesmutter, zu dieser "kleinen Geburtstagsfeier" (Kurt Biedenkopf) - mit 14 Programmpunkten. Sechs Enkel der Jubilarin traten singend auf, unter anderem mit dem Ständchen "Omali, Opapa - sie sind ein verliebtes Paar." Der Verein "Stoffwechsel", dem Frau Biedenkopf karitativ verbunden ist, erfreute mit zweistimmigem Gesang zu einer Gitarre. Ebenso die "Tanzmäuse" des Kindergartens "Kleine Strolche" aus St. Egidien, die mit lustigen rosa Riesenohren auftraten. Zwischendurch stand, die Gattin war ganz Ohr, der Ministerpräsident auf der Bühne und lobte seine Frau: "Ich glaube, liebe Ingrid, Du hast eine Menge Gutes getan." Unter anderem habe sie etwa 30 000 Bürgereingaben beantwortet und Spenden in Millionenhöhe gesammelt. Davon kündet auch die Festschrift einiger Wohltätigkeitsvereine: Der Band "Die Landesmutter" soll bald sogar im Buchhandel erhältlich sein. Die Gefeierte lobte gerührt zurück: "Mein Mann ist der Baum, an dem ich mich festhalten kann." Festtag. Doch unter der lachsfarbenen Stuckdecke im Ballsaal "Lindengarten" waberte auch ein Politikum - spätestens als Kartoffelsuppe, eingelegte Heringe nach Ingrid-Rezept und Streuselkuchen serviert wurden: Wer zahlt? Wer richtet das Fest aus? "Wir nicht, dass das klar ist", sagte Regierungssprecher Michael Sagurna. Aber so ganz durchsichtig scheint die Sache nicht. Im Vorfeld hatte es Unstimmigkeiten zwischen Staatskanzlei und dem Büro von Ingrid Biedenkopf gegeben. Auf die Frage, wo man sich anmelde, wurden Pressevertreter von einer Stelle an die andere verwiesen - und zurück. Die Geburtstagsfeier sei "im besten Sinne eine Verbindung von persönlicher und öffentlicher Begegnung", drückte sich Kurt Biedenkopf etwas gewunden aus. Und verkleinerte damit nicht gerade die Verwirrung der vergangenen Tage um die Frage, wie die Biedenkopfs es mit der Trennung von Öffentlichem und Privatem halten. Wer eigentlich, fragten Landtags-Opposition und Presse, zahlt den Koch, den Gärtner und die Putzfrau in ihrer Wohnung? Und logiert das Paar nicht allzu günstig im Gästehaus des Freistaats in der Schevenstraße? Der Koch dort habe - unter ihrer Aufsicht - die Kartoffelsuppe hergestellt, erzählte Ingrid Biedenkopf der SZ. "In seiner Freizeit", betonte Regierungssprecher Sagurna. So sei auch der Streuselkuchen entstanden. Biedenkopfs Umgebung ist tunlichst bemüht, nach der Debatte um die Wohnung des Paares keine Streuselkuchen-Affäre entstehen zu lassen. "Im Blickfeld einer gern skandalisierenden Presse brauchen Sie gute Nerven", rief Sozial-Staatssekretär Albin Nees in einer Ansprache Frau Biedenkopf zu. Die wiederum bedankte sich auf der Bühne bei Müller-Milch, Radeberger, einem Wasserhersteller und anderen Fest-Sponsoren. Firmenlogos wurden im Saal keine gesichtet. Dafür setzte das Geburtstagsfest bundesweit Maßstäbe - für das Feiern runder Geburtstage von Ehepartnern eines Ministerpräsidenten. "Solche Feiern gibt's bei uns nicht", lautete stets die Antwort aus den anderen Länder-Staatskanzleien. Edeltraut zum Beispiel, die Frau von Baden-Württembergs Ministerpräsident Teufel, habe ihren Sechzigsten im Kreis der Familie gefeiert, sagte ein Regierungssprecher. Wegen der Anfrage fühlte er sich zunächst auf den Arm genommen, machte sich dann aber einen Spaß daraus: "Zum Geburtstag wurde Landesbeflaggung angeordnet."
(Stefan Schirmer)