Freie Presse Online, 11.05.2001
Landtagspräsident beruft Sondersitzung
PDS will Rücktritt, SPD einen Ausschuss
DRESDEN. (ddp-lsc). Die in die Kritik geratenen Wohnverhältnisse von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) beschäftigen nun auch das Parlament. Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) berief am Donnerstag auf Antrag der PDS eine Sondersitzung für den Mittwoch nächster Woche ein. Die Fraktion strebt einen Parlamentsbeschluss an, der den Regierungschef zum Rücktritt auffordert. Die Staatskanzlei wies das Ansinnen als verfassungsrechtlich bedenklich zurück. Unterdessen warben Sozialdemokraten um Unterstützung für den von ihnen verlangten Untersuchungsausschuss.
Biedenkopf war in den vergangenen Wochen vorgeworfen worden, Leistungen des Personals aus seinem Wohnsitz im Dresdner Regierungsgästehaus auch privat in Anspruch genommen zu haben. Kritik an der vertraglich fixierten Kaltmiete von 8,15 Mark pro Quadratmeter entkräftete jedoch ein Sachverständigen-Gutachten.
Nach Auffassung von PDS-Fraktionschef Peter Porsch ist Sachsen unter Biedenkopf in eine Regierungskrise geraten. Mit seiner Amtsführung beschädige der Ministerpräsident das Ansehen des Freistaates. Daher solle ihn das Parlament zum Rücktritt auffordern. Der Chef der Staatskanzlei, Georg Brüggen (CDU), wertete diese Äußerungen als «unzutreffend, pauschal und unschlüssig». Er machte darauf aufmerksam, dass dem Ministerpräsidenten nur durch Neuwahl eines Nachfolgers im Landtag das Vertrauen entzogen werden könne. Das Aussprechen des Misstrauens reiche nicht aus. Die PDS sei aber offenbar nicht in der Lage, den geforderten Wahlvorschlag zu unterbreiten.
SPD-Fraktionschef Thomas Jurk warnte mit Blick auf die Solidarpakt-Verhandlungen vor einem Bedeutungsverlust Sachsens auf Grund der Vorwürfe gegen Biedenkopf. Klärung über das «bundesweit einmalige Arrangement» im Gästehaus in der Schevenstraße könne ein Untersuchungsausschuss bringen, für dessen Einsetzung die Sozialdemokraten aber auch Stimmen aus der PDS oder möglicherweise auch der CDU benötigen. Das Gremium soll unter anderem prüfen, ob oder welche Leistungen die Bewohner der Ex-Stasi-Immobilie am Dresdner Elbhang bei Unterkunft, Kochen, Putzen und Nutzung von Fahrzeugen in Anspruch nahmen.
Der Ausschuss soll auch aufhellen, warum ein Schreiben des Landesrechnungshofes, das 1994 die Verwaltung der Schevenstraße bemängelte, offenbar nur unzureichend beherzigt wurde. Es war an das Finanzministerium und die Staatskanzlei gegangen, dort allerdings erst in der vergangenen Woche wieder gefunden worden. Biedenkopf hat nach eigener Darstellung erst durch den von ihm angeregten Staatskanzlei-Bericht zu seinen Wohnverhältnissen davon erfahren.
Zu Wort meldete sich auch der SPD-Abgeordnete
Karl Nolle, der in der vergangenen Woche einen umfassenden Fragenkatalog zur Schevenstraße präsentiert hatte. Er fordert Biedenkopf auf, einen an den Ministerpräsidenten gerichteten Brief des früheren Finanzstaatsekretärs Karlheinz Carl aus dem Jahr 1997 zu veröffentlichen. Das Schreiben, das ihm «durch eine Indiskretion aus CDU-Kreisen» vorliege, belege, dass das Finanzministerium darin keine Bewertung der Dienstleistungen im Gästehaus vorgenommen habe und sich ausschließlich auf die Immobilie beziehe. Biedenkopf hatte am Dienstag einen Brief des früheren Finanzministers Georg Milbradt (CDU) veröffentlicht, der unter Verweis auf das Carl-Schreiben nahe legt, dass alle Fragen zum Wohnsitz Schevenstraße geklärt seien. CDU-Landeschef Fritz Hähle wies jedoch vehement zurück, dass CDU-Mitglieder Nolle mit «Argumenten aufmunitionierten».
(Quellen: Jurk vor Journalisten in Dresden; Porsch in einem Landtags-Antrag; Brüggen in der schriftlichen Antwort auf den Antrag; Nolle und Hähle in Pressemitteilungen)
(ddp-lsc)