MDR Online, 16.05.2001
Sondersitzung im Landtag zu Biedenkopf-Affäre
14.00 Uhr bis 14.50 Uhr PDS-Fraktionschef Porsch
Die PDS nutzte die Gelegenheit für eine Generalabrechnung mit Regierungspolitik. Fraktionschef Porsch forderte in seiner einstündigen Rede Biedenkopf zum Rücktritt auf. Zudem bescheinigte er dem Kabinett, in "eklatanter Weise" die Regierungsfähigkeit verloren zu haben.
Nach Ansicht von Porsch sind Biedenkopf und sein Team seit Wochen nicht in der Lage die "Provinzposse" in den Griff zu bekommen, bei der es um günstige Mietpreise und einen angeblichen Yachturlaub auf dem Schiff eines mit Biedenkopf befreundeten Investors geht. Die aktuellen Affären seien Zeichen eines missglückten Politikstils, der Sachsen in Verruf zu bringen drohe.
Porsch blieb nicht nur bei den aktuellen Vorwürfen. Er verwies außerdem auf die hohe Arbeitslosigkeit, steigende Beiträge für die Kinderbetreuung und die wachsende Armut unter den Kindern und Jugendlichen. Sachsen habe zusammen mit Thüringen die niedrigsten Sozialhilfesätze in Deutschland.
Zudem ging Porsch auf die offene Nachfolgefrage in der CDU ein. Er kritisierte: "Wer sich jahrelang loben lässt dafür, dass er keinen anderen mit eigener Meinung neben sich duldet, darf sich nicht wundern, dass der Hofstaat und das Fußvolk außer der Intrige nichts beherrschen."
14:50 bis 15:30 CDU-Vorsitzender Hähle
Der CDU-Vorsitzende Hähle hat den Rücktrittsantrag der PDS als unbegründet zurückgewiesen. “Die erhobenen Forderungen stützen sich ausschließlich auf üble Unterstellungen”, sagte Hähle. Die Vorwürfe gegen Ministerpräsident Biedenkopf seien Ausdruck einer “Übermoralisierung der Gesellschaft”. Zudem soll “die Kampagne nur von der unzureichenden Arbeit der Opposition ablenken.” Gleichzeitig sprach sich Hähle für eine sorgfältige Prüfung der Vorwürfe durch den Landesrechnungshof aus. Biedenkopf habe dabei nichts zu verbergen.
15:30 bis 15:50 SPD-Fraktionschef Jurk
Der Antrag der PDS macht nach Auffassung des SPD-Frajtionschef Jurk wenig Sinn. “Die CDU wird mit ihrer absoluten Mehrheit den Rücktritt Biedenkopfs heute natürlich verhindern”, sagte Jurk. Doch schon morgen werde sie den Druck auf den sächsischen Ministerpräsidenten weiter erhöhen. Die Machtkämpfe innerhalb der Partei zeigten, dass sich Biedenkopf selbst überlebt habe. “Die Legende vom guten König Kurt und die höfische Inszenierung seiner Macht wirkt nur noch peinlich.” Biedenkopf müsse daher zurücktreten, um weiteren Schaden vom Freistaat abzuwenden. Zudem forderte Jurk die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, der die Affären um Biedenkopf aufklären soll.
15:50 bis 16:00 Staatskanzlei-Chef Brüggen
Der Chef der Staatskanzlei Brüggen hat Biedenkopf in Schutz genommen. Die CDU werde sich geschlossen hinter den Ministerpräsidenten stellen. Brüggen warf der PDS Orientierungslosigkeit vor. Die Partei wolle davon ablenken, dass sie mit "dem Ausbalancieren der Interessen von Altkommunisten und Neusozialisten" überfordert sei. Außerdem wolle die PDS die Leistungen Biedenkopfs schmälern. "Die Abgeordneten übersehen dabei offenbar, dass der Ministerpräsident sich seit 1990 mit Haut und Haar für den Freistaat eingesetzt hat".
16.00 Uhr bis 16.20 Uhr Debatte der Fraktionsvorsitzenden
Nach den Reden der Fraktionsvorsitzenden werfen sich die Fraktionen in einer kontroversen Debatte gegenseitig politische Handlungsunfähigkeit vor. "Biedenkopf muss heute abgewählt werden, damit in Sachsen wieder über Politik gesprochen werden kann", sagte der PDS-Fraktionschef Porsch. Nach Einschätzung des SPD-Fraktionschef Jurk hat sich der sächsische Ministerpräsident "selbst ins Abseits gebracht". Der CDU-Fraktionschef Hähle wies die Vorwürfe zurück und sprach Biedenkopf sein Vertrauen aus. Der sächsische Ministerpräsident selbst meldete sich in der über zweistündigen Debatte nicht zu Wort.
16.29 Uhr:
Mit den Stimmen der CDU wird der Rücktrittsantrag der PDS abgelehnt
16.05.2001 15:59