Sächsische Zeitung Online, 22.05.2001
Paunsdorf: Auftrag "von dritter Seite"
Tauziehen um Aussagegenehmigung des Zeugen Muster
DRESDEN. Kann der Ministerialbeamte Michael Muster, von 1991 bis 1998 quasi Herr über das sächsische Landesvermögen, etwas darüber sagen, ob Ministerpräsident Kurt Biedenkopf zu Gunsten seines Freundes Heinz Barth Einfluss genommen hat bei der Vermarktung der Behördenzentrums Leipzig-Paunsdorf? Der 54-jährige Spitzenbeamte, heute im Wirtschaftsministerium, kann das mit Sicherheit. Er gilt als Schlüsselfigur beim Abschluss der umstrittenen Mietverträge, bei denen der Opposition zu Folge dem Freistaat Verluste in Millionenhöhe drohen.
Milbradt habe politisch entschieden
Als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss bestätigte Muster gestern, dass es zum Zeitpunkt der Anmietung keine Bedarfsplanung gab und einige Behörden Widerstand gegen ihren Zwangsumzug an den Stadtrand leisteten. Ex-Finanzminister Georg Milbradt habe die "politische Entscheidung getroffen", den Komplex anzumieten. Gegenüber dem Kölner Investor Barth habe der Freistaat am "kürzeren Hebel" gesessen. Der habe 30 Mark Miete je Quadratmeter gewollt. Geeinigt habe man sich auf 24,50 Mark, ohne dabei Haupt- und Nebenflächen zu unterscheiden. So leben selbst die Polizeihunde zu diesen Konditionen in Paunsdorf.
Von "dritter Seite" sei er in der zweiten Juni-Hälfte 1993 ersucht worden, sich um Paunsdorf zu kümmern, erklärte Muster. Damals weigerte sich die ihm unterstellte Oberfinanzdirektion Chemnitz, den Mietzinsforderungen des Investors nachzukommen. Zwei Wochen später, am 1. Juli 1993, entstand jener handschriftliche Vermerk mit den Mietkonditionen, der Kurt Biedenkopf jetzt in Bedrängnis bringt.
Ob der Ministerpräsident auch jene "dritte Seite" war, die ersucht hatte, sich um Paunsdorf zu kümmern und welche Kontakte in dieser Zeit funktionierten, sagte Muster gestern noch nicht. Denn als erster hochrangiger Staatsdiener hatte er nur eine beschränkte Aussageerlaubnis erhalten. Das Wort vom Maulkorb machte die Runde. "Sehen sie einen?", konterte Muster, der nicht den Eindruck vermittelte, als ob er dem Ausschuss etwas verbergen wollte. Nach der Erweiterung seiner Aussagegenehmigung bat er um Bedenkzeit für einen zusammenhängenden Vortrag zu der Frage, ob Biedenkopf im Fall Paunsdorf Einfluss genommen hat zum Nachteil Sachsens und zum Vorteil des Investors.
Dass Muster ein brisanter Zeuge ist, wurde schon gestern klar: Er erschien mit Rechtsanwalt. Die Staatskanzlei des Ministerpräsidenten habe ihm dazu geraten, wurde gemunkelt. Das Wirtschaftsministerium trägt die Kosten. So tauchte der renommierte Strafverteidiger Stephan König aus Berlin an Musters Seite im Landtag auf.
Weiter ermitteln, wenn Spenden auftauchen
Tatsächlich war Zeuge Muster schon 1997 im Fall Paunsdorf bereits im Visier der Ermittler wegen des Verdachtes der Untreue nachdem der Rechnungshof die Mietverträge kritisiert hatte. Obwohl die Spezialisten des Landeskriminalamtes einen Anfangsverdacht erkannten, stellte die Leipziger Staatsanwaltschaft die Ermittlungen im Juni 1998 ein. Als die PDS im März 2000 den Paunsdorf-Untersuchungsausschuss beantragte, wollte die Staatsanwaltschaft weitermachen, schon um einer Verjährung möglicher Straftaten vorzubeugen. Sie wollten gar "den Ministerpräsidenten als Beschuldigten" erfassen, wie aus einem Vermerk vom 9. März 2000 hervorgeht. Von der Generalstaatsanwaltschaft kam jedoch der Stopp. "Nur wenn weitere Tatsachen über Spenden oder ähnliches bekannt werden sollten, müsse die Fortsetzung der Vorermittlung erneut geprüft werden", notierte man in Leipzig die Empfehlung aus Dresden.
(Thomas Schade)