Süddeutsche Zeitung, 26.05.2001
Sächsische Dienstwohnung-Affäre: Rechnungshof bringt Biedenkopf in Bedrängnis
Prüfer kritisieren vor allem private Dienstleistungen des Gästehaus-Personals / Opposition fordert Rücktritt
DRESDEN – Der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf hat das beim Land angestellte Personal in seiner Dienstwohnung ohne vertragliche Grundlage für private Zwecke eingesetzt. Das rügte der Sächsische Rechnungshof jetzt nach einer Prüfung. Dem Bericht der Behörde zufolge hätte der CDU-Politiker für das Dienstpersonal pro Jahr zwischen 80 000 und 100 000 Mark bezahlen müssen. Der Rechnungshof bemängelt zudem, dass Biedenkopf zu wenig Miete für seine Wohnung zahle. Er forderte eine rasche Neuregelung, Nachforderungen sollen geprüft werden. Die Opposition forderte Biedenkopfs Rücktritt.
Der sächsische Ministerpräsident und seine Frau logieren seit 1990 in Dresden in einem staatlichen Gästehaus in der Schevenstraße, in dem sie auch von einem derzeit sechsköpfigen Personalstab – dazu zählen unter anderem ein Koch und Haushaltshilfen – betreut werden. Der Einsatz des Personals ist bisher von Biedenkopf und seiner Staatskanzlei damit gerechtfertigt worden, dass die Angestellten vornehmlich zu dienstlichen Zwecken eingesetzt würden. Dem widerspricht jedoch der Präsident des Rechnungshofs, Hans-Günther Koehn, in seinem Prüfbericht. Tatsächlich komme dem Einsatz des Personals für dienstliche Zwecke nur eine verhältnismäßig geringe Bedeutung zu, sagte er. Das treffe auch für Einsätze des Personals am privaten Wohnsitz des Ministerpräsidenten am Chiemsee zu. Dorthin hatte Biedenkopf häufiger das beim Staat angestellte Dienstpersonal mitgenommen, ohne für die Einsätze zu zahlen. Laut Rechnungshof wurde am Chiemsee von 1995 bis 1999 an 231 Tagen Personal eingesetzt. Nur für elf Aufenthaltstage habe sich ein dienstlicher Anlass feststellen lassen.
Gebot der Sparsamkeit
Der Bericht des Rechnungshofs stellt ausdrücklich fest: „Die Staatskanzlei darf aus öffentlichen Mitteln bezahltes Personal nicht dem Ministerpräsidenten für private Zwecke zur Verfügung stellen.“ Es sei darauf zu achten, dass das Personal ausschließlich für dienstliche Zwecke eingesetzt werde. Koehn widersprach der Darstellung der Staatskanzlei, wonach bei Biedenkopf dienstlicher und privater Bereich nicht zu trennen seien. Dies könne keinesfalls akzeptiert werden. „Wo die Trennung faktisch einmal Schwierigkeiten bereiten sollte, ist sie rechnerisch allemal möglich“, betonte Koehn.
Nach Berechnungen des Rechnungshofs lagen die Kosten für die private Inanspruchnahme des Personals durch die Biedenkopfs pro Jahr bei etwa 80 000 bis 100000 Mark. „Derartige Kosten für den privaten Aufwand durften weder in der Vergangenheit noch dürfen sie in der Zukunft vom Freistaat Sachsen getragen werden“, sagte Koehn. Für die Vergangenheit sei eine Nachforderung zu prüfen. Das Vorhalten des Personals für Biedenkopf und die anderen Mieter des Gästehauses verstoße gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Die Stellen müssten abgebaut werden.
Bei der Berechnung der Miete für den Ministerpräsidenten in der Dienstwohnung hätte laut dem Rechnungshofbericht Kurt Biedenkopfs zur Privatwohnung gehörendes Arbeitszimmer berücksichtigt werden müssen. Zudem sei für die Wohnung ein deutlich zu niedriger Quadratmeterpreis angesetzt worden. Der Vertrag müsse für die Zukunft geändert werden, forderte der Rechnungshof. In seinem Bericht bemängelt er, dass zwischen den Aufwendungen für das Gästehaus und den Kosten für den Freistaat ein Missverhältnis bestehe.
Für die Versäumnisse bei der Berechnung der Personalkosten macht der Rechnungshof die Staatskanzlei verantwortlich, für jene bei den Mieten das Finanzministerium. Das Ministerium habe bei der Vermietung gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit verstoßen.
Die sächsische SPD forderte nach Bekanntwerden des Prüfberichts den Rücktritt Biedenkopfs. Der Bericht mache deutlich, dass alle vorgebrachten Vorwürfe berechtigt seien. Die Situation sei noch schlimmer als bisher angenommen, sagte Fraktionschef Thomas Jurk. Die Regierung habe Misswirtschaft zu Lasten der Steuerzahler betrieben.
Biedenkopfs Chef der Staatskanzlei, Georg Brüggen, widersprach dem Bericht und machte den Rechnungshof mitverantwortlich. Finanzminister Thomas de Maiziere meinte hingegen, der Bericht enthalte „Hinweise und Vorschläge“, die es zu prüfen gelte.
(Von Jens Schneider)