DNN, 29.05.2001
Rot-Rot in Sachsen? Nolle-Vorstoß sorgt für Streit in der SPD
Chefin Krehl: Thema sollten wir tunlichst vermeiden
Dresden. Seit der Krise der Staatsregierung und dem Krach in der CDU machen neue Gedankenspiele in Dresden die Runde: Gibt es eine Chance für eine rot-rote Koalition in Sachsen?
Karl Nolle, SPD-Landtagsabgeordneter und selbsternannter Aufklärer in Biedenkopfs Putzfrauen-Affäre, sprach jetzt als Erster öffentlich von vorgezogenen Neuwahlen und der Möglichkeit einer rot-roten Landesregierung.
Doch Nolle handelte sich umgehend den Zorn seiner Genossen zu. SPD-Landeschefin Constanze Krehl und Fraktionschef Thomas Jurk ruderten gestern heftig zurück und sprachen von einer Debatte zur Unzeit. "Diese Koalitionsdiskussion gibt es nicht", so Krehl. Nolle drücke der SPD ein Thema auf, das die Sozialdemokraten tunlichst vermeiden wollten. Die SPD strebe an, bei der nächsten Landtagswahl 2004 zweitstärkste Kraft im Land zu werden. Koalitionsaussagen im Vorfeld würden - wenn überhaupt getroffen - vom Spitzenkandidaten abhängen, so Krehl. Jurk will sich vor der Wahl gar nicht erst festlegen. Als Namen für die Spitzenkandidatur sind neben Krehl und Jurk auch der Ostbeauftragte des Bundes, Rolf Schwanitz, und vor allem Leipzigs OB Wolfgang Tiefensee im Gespräch.
Neu an der Debatte ist auch, dass sich die Sachsen-SPD nicht mehr kategorisch einer möglichen Zusammenarbeit mit der PDS verschließt, falls die CDU ihre absolute Mehrheit verlieren sollte. Fest steht für Parteichefin Krehl indes: Die SPD werde nicht als Juniorpartner in eine Regierung unter einem PDS-Ministerpräsidenten eintreten. Bei der vergangenen Wahl 1999 hatte die SPD allerdings mit 10,6 Prozent nicht mal die Hälfte der PDS-Stimmen (22,2 Prozent) erhalten. Daher halten sich die Sozialdemokraten alle Optionen offen, auch eine Große Koalition. "Ohne uns wird jedenfalls nichts mehr gehen", sagte Krehl.
Die PDS verfolgt Nolles Vorstoß mit großem Interesse. "Rot-Rot könnte der eigentliche Wahlschlager werden", sagte Partei- und Fraktionschef Peter Porsch gestern unserer Zeitung. Damit würden auch die Nichtwähler mobilisiert, die den politischen Wechsel herbeiführen wollten. Porsch lästerte zugleich, er freue sich, dass Nolle ihn für einen geeigneten Ministerpräsidenten halte, denn freilich werde die PDS die zweitstärkste Kraft werden. Für die rechnerischen Spiele bleibt indes noch viel Zeit. Mit Neuwahlen rechnet bisher ernsthaft kaum jemand.
(Sven Heitkamp)