Sächsische Zeitung, 02.06.2001
Paunsdorf-Affäre: 29 Millonen in nur einer Stunde
In der Substanz keine neuen Erkenntnisse, so die CDU, die Analyse der Aussagen von Ministerialdirigent Michael Muster vom Montag führt zu einem anderen Ergebnis.
In der Substanz keine neuen Erkenntnisse", so lautet das Fazit der CDU nach der jüngsten Sitzung des Paunsdorf-Untersuchungsausschusses, der prüfen soll, ob Ministerpräsident Kurt Biedenkopf einen befreundeten Investor in unzulässiger Weise unterstützte. Die Analyse der Aussagen von Ministerialdirigent Michael Muster vom Montag führt zu einem anderen Ergebnis. Entsprechen dessen Aussagen den Tatsachen, so ist es am 1. Oktober 1993 zu einem schweren Verstoß gegen Sachsens Haushaltsrecht gekommen.
Was war passiert? Am Vormittag des 1. Oktober wird Muster zu einem Gespräch bei Ministerpräsident Biedenkopf gerufen. Er sei "einbestellt" worden, um zu berichten, warum die Polizeibehörde "immer noch nicht angemietet sei", so Muster vor dem Ausschuss. Biedenkopf habe ihm deutlich gemacht, "dass er einen schnellen Abschluss des Mietvertrages" wünsche. "Die administrativen Wege sollten beschleunigt durchlaufen werden", referierte der Beamte den Willen des Landesvaters. Außerdem habe Biedenkopf gewünscht, "dass die noch freien Flächen in Paunsdorf (Bauteil B) durch weitere Behörden belegt werden sollten". Weil die Landesdiener wenig Drang nach Paunsdorf zeigten, wollte Biedenkopf sich notfalls selbst an die betroffenen Ressortminister wenden, so Muster im Ausschuss.
Vieles ist möglich Freitag nach eins
Unmittelbar nach dem Gespräch unterrichtet Muster Finanzminister Georg Milbradt, eigentlich bekannt für Sparsamkeit und Haushaltsdisziplin. Dem war der Wunsch des Ministerpräsidenten offenbar so dringend, dass er sich dessen "Anregungen" zu eigen gemacht und die Oberfinanzdirektion (OFD) Chemnitz angewiesen habe, die überplanmäßige Kreditaufnahme von rund 29 Millionen Mark zu beantragen. Das geschah noch am gleichen Tag. Sodann zeigten sächsische Beamte, was Freitag nach eins noch möglich ist: 14.30 Uhr traf der Kredit-Antrag bei der Haushaltsabteilung im Finanzministerium ein. 15.30 Uhr, so Muster, sei er "telefonisch vorab genehmigt' worden. Sieben Tage später hatte der Freund des Ministerpräsidenten, der Investor Heinz Barth, seinen Mietvertrag über rund 12 000 Quadratmeter in der Tasche.
Die Blitzaktion verrät: An einen Umzug dieser Polizeidienststelle war vorher nicht gedacht, sonst wäre er im Haushalt berücksichtigt gewesen. Bereits am 25. August hatte das zuständige Liegenschaftsamt mitgeteilt, dass es für die Anmietung des Teils B in Paunsdorf zurzeit keinen Bedarf gibt. Nach Ansicht von Haushältern im Landtag war es in 60 Minuten nicht möglich, den Antrag der OFD zu prüfen. Die Schuldenaufnahme wurde genehmigt, ohne zu wissen, ob sie den Haushaltsgrundsätzen entspricht
(Von Thomas Schade)