Sächsische Zeitung, 08.06.2001
Biedenkopf "schenkt" Gattin eine Bürokraft
Landtag kündigt Überprüfung an / Erneut Nachzahlung
DRESDEN. Die Kette der Vorwürfe gegen Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) reißt nicht ab. Nach der Flugaffäre, dem Paunsdorf-Untersuchungsausschuss sowie der anhaltenden Kritik wegen der Billig-Miete und überzogenen Personalservices im Regierungsgästehaus gerät Biedenkopf jetzt in seiner Eigenschaft als CDU-Landtagsabgeordneter unter Druck.
Wie bekannt wurde, hat der Premier seine persönliche Mitarbeiterin, die ihm per Gesetz zur Unterstützung der parlamentarischen Arbeit zusteht, seit etwa vier Jahren in das Bürgerbüro seiner Frau Ingrid delegiert. Dort hilft sie bei der "Erledigung der anfallenden Aufgaben des Büros", wie die Staatskanzlei in einer knappen Erklärung bestätigte. Im Bürgerbüro Ingrid Biedenkopfs arbeiten bereits drei Angestellte, die allerdings der Freistaat bezahlt. Kurt Biedenkopfs Mitarbeiterin ist die vierte im Bunde. Umstritten ist, ob sich ihre Aufgabe mit Gesetzesvorgaben deckt.
Mitarbeiter, die vom Landtag bezahlt werden, dürfen nur "zur Unterstützung des Abgeordneten bei der Erledigung seiner parlamentarischen Tätigkeit" eingesetzt werden, erklärte dazu Landtagssprecher Ivo Klatte. Allein in diesen Fällen würden monatlich bis 3 920 Mark Lohnkosten und notfalls auch der Arbeitgeberanteil übernommen. Klatte kündigte eine Überprüfung an, inwieweit der Einsatzort der Biedenkopf-Mitarbeiterin diesen Anforderungen entspricht.
Zusätzlicher Ärger droht dem Ministerpräsidenten, weil seine Mitarbeiterin die Regierungsräume auf der Dresdner Schevenstraße zudem kostenlos nutzt, obwohl sie keine Landesbedienstete ist. Biedenkopf hätte dem Freistaat für die betreffenden Räumlichkeiten Miete zahlen müssen. Jeder der 120 Landtagsabgeordneten - auch Biedenkopf - erhält dafür eine monatliche Pauschale von 2 160 Mark. Die Staatskanzlei erklärte, dass der Premier auch hier eine Nachzahlung leisten wird. Deren Höhe müsse aber erst errechnet werden.
PDS-Fraktionschef Peter Porsch forderte Biedenkopf auf, dem Landtag auch das Einkommen für die Angestellte zurückzuzahlen, da deren Arbeit keinen Parlamentsbezug aufweise. Überraschend hingegen stellte sich SPD-Fraktionschef Thomas Jurk hinter den Premier: Weil keine nennenswerten Mehrkosten entstanden seien, sei ein solcher Schritt unnötig.
Die Dresdner Staatsanwaltschaft erklärte gestern, dass wegen der Affären bereits fünf Strafanzeigen gegen Biedenkopf vorliegen. Ihm würden Vorteilsnahme, Vorteilsgewährung, Steuerhinterziehung und Falschaussage vorgeworfen. Ermittelt wird noch in keinem Fall.
(Gunnar Saft)