Sächsische Zeitung, 05.09.2001
Neuer Streit um Sachsens Kummerkasten
Datenschützer rügt fehlende Rechtsgrundlage / Opposition fordert Auflösung
DRESDEN. Der Streit um das steuerfinanzierte Bürgerbüro von Ingrid Biedenkopf geht in eine neue Runde. Dafür sorgt Sachsens Datenschutzbeauftragter Thomas Giesen, der am 23. und 24. Juli zunächst eine Vor-Ort-Kontrolle auf der Dresdner Schevenstraße Nummer 1 vorgenommen hatte. Gestern informierte er den Landtag offiziell über zahlreiche Beanstandungen.
In seinem 24-seitigen Bericht kritisiert der Landesbeauftragte nicht nur eine allgemeine "Unordnung" beim Führen von Akten. Eindeutig "rechtswidrig und unzulässig" sei es, dass das Bürgerbüro seit Jahren personenbezogene Daten sammelt und diese an zahlreiche Behörden weitergibt. Das Vorgehen der Frau des Ministerpräsidenten und ihrer drei Mitarbeiter sei juristisch in keiner Weise gedeckt, rügt Giesen. Gleichzeitig führt er mehrere Beispiele an, bei denen seiner Meinung nach gegen Datenschutz-Vorschriften verstoßen wurde. Darunter den Fall einer Frau, die sich bei Ingrid Biedenkopf über den Leiter des für sie zuständigen Arbeitsamtes beschwert hatte. Später musste sie feststellen, dass das Bürgerbüro den Schriftwechsel komplett weitergereicht hatte, so dass der Kritisierte sie damit konfrontieren konnte.
Giesens Kritik gilt aber auch vielen Ministerien und Behörden, die vom Büro Biedenkopf zwecks Klärung von Bürgeranliegen hinzugezogen werden. Deren Verantwortliche würden oft "strammstehen" und Anfragen ängstlich im vorauseilenden Gehorsam erfüllen, obwohl das Bürgerbüro keine gesetzliche Zuständigkeit für die einzelnen Bereiche habe. Weder der Ministerpräsident noch seine Frau oder die Staatskanzlei dürften nach Belieben in schwebende Verfahren eingreifen, um deren gesetzlichen Ablauf oder gar deren Ergebnis mitbestimmen zu wollen.
CDU und Staatskanzlei: Kein Handlungsbedarf
Laut Giesen missachten angesprochene Behörden bei ihrer Zuarbeit ebenfalls häufig den Datenschutz. Auch hier führte er Beispiele an.
Als Konsequenz seiner Kontrolle fordert Sachsens oberster Datenschützer, das Bürgerbüro müsse künftig durch ein eigenes Gesetz zum Datensammeln legitimiert werden oder es dürfte nur noch Bürgerbriefe an die zuständigen Stellen weiterleiten. Diese müssten wiederum Amtsgeheimnisse und Datenschutz strikter wahren.
Trotz dieser Kritik verteidigte die CDU-Landtagsfraktion gestern das Bürgerbüro. Rechtsexperten hätten dessen Arbeit als mit Verfassung und geltendem Recht vereinbar angesehen, hieß es. Auch die Staatskanzlei von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) wies Giesens Vorwürfe zurück. Dessen Bericht will man zusammen mit einer eigenen Stellungnahme im Internet veröffentlichen - aus Gründen des Datenschutzes allerdings ohne die erwähnten Beispiele.
Unterstützung bekommt Giesen von der Opposition. SPD-Fraktionschef Thomas Jurk sagte, bis zu neuen gesetzlichen Regelungen könne das Büro "nur noch ein Kummerbriefkasten sein". Die PDS fordert dagegen dessen Auflösung. Bürgeranliegen seien beim Petitionsausschuss des Landtages sowie der entsprechenden Stabsstelle der Staatskanzlei in guten Händen.
(Gunnar Saft)