Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 03.09.2001

Kabale um einen Kandidaten

 
Biedenkopf hat Probleme, Milbradt als Nachfolger zu verhindern Kurt Biedenkopf setzte am Freitagnachmittag den Peinlichkeiten ein Ende. Der sächsische Ministerpräsident bestellte Gleichstellungsministerin Christine Weber und seinen Staatskanzleichef Georg Brüggen zu einem klärenden Gespräch ein. Hernach hieß es aus der Staatskanzlei, dass die beiden sich nur "gründlich missverstanden" hätten. Ihr Streit sei beigelegt. Nur ein Missverständnis? Glauben wird das kaum jemand in Sachsens CDU. Denn der Auslöser des Konflikts entsprach ganz den Methoden des Staatskanzleichefs, die auch andere Parteifreunde schon beklagt haben.

Brüggen soll der Ministerin mit einem Karriereknick für den Fall gedroht haben, dass sie sich weiter für den früheren Finanzminister Georg Milbradt aussprechen würde. Die Partei wählt am 15. September einen neuen Vorsitzenden, Milbradt tritt gegen Landwirtschaftsminister Steffen Flath an - eine Entscheidung mit Signalcharakter für Biedenkopfs Nachfolge.

Weber hatte durchblicken lassen, dass sie sich von Brüggen - dem filigranes Vorgehen selten nachgesagt wird - unter Druck gesetzt fühlte. Manche interpretierten dies so, man habe ihr mit dem Rausschmiss aus dem Kabinett gedroht. Biedenkopf griff als vermeintlich überparteilicher Schlichter ein. Dabei hätte sein Kanzleichef mit dieser Aktion ganz in Biedenkopfs Sinne operiert. Der Regierungschef favorisiert eindeutig Flath. Eine Entscheidung der Partei für Milbradt, der zehn Jahre sein wichtigster Minister war, würde er als Affront empfinden. Schließlich hat er Milbradt im Januar das Vertrauen entzogen, als er ihn entließ. Ohne Biedenkopfs Vorbehalte gegen Milbradt gäbe es den Kandidaten Flath wohl kaum. Der Ex-Finanzminister gälte als geborener Nachfolger des 71- Jährigen. Er selbst sah ihn lange als richtige Wahl. Heute hält er seinen einstigen Musterschüler für ungeeignet. Milbradts robuster Stil qualifiziere ihn nicht, ein Kabinett zu führen. Der könne keine Wahlen gewinnen, wird kolportiert. Biedenkopf mag erwartet haben, dass es reicht, wenn jeder seine Vorbehalte kennt. Denn die Partei fühlt sich dem - trotz Affären - fantastisch populären Regierungschef verbunden. Es könnte gefährlich sein mit einem Spitzenkandidaten in die nächste Wahl zu gehen, der von dem großen Alten nicht unterstützt wird. Doch der Wettstreit zwischen Flath und Milbradt läuft nicht in Biedenkopfs Sinne. Das mag schlicht an der Qualität der Kandidaten liegen. Bei Regionalkonferenzen, auf denen sich beide vorstellten, lagen Welten zwischen ihnen.

Milbradt hielt in Bautzen seine beste Rede seit Jahren.
Über Flaths inhaltsarme, hausbacken melancholische Performance zeigten sich auch Unterstützer erschrocken. An der Basis liege Milbradt mindestens gleichauf, heißt es in internen Erhebungen.
Die Junge Union sprach sich jetzt für ihn aus. Am Samstag machte die Sächsische Zeitung eine Umfrage bekannt, wonach Milbradt in der Gunst der Sachsen deutlich vorn liegt.

Das bringt Biedenkopf in Zugzwang, seine Popularität stärker einzusetzen. Ein Unterfangen, das Fingerspitzengefühl verlangt. Seine Berater werden ihm eine vornehme Empfehlung nahe legen und hoffen, dass er den Ton trifft. Für den Zusammenhalt der Partei würde es verheerend sein, wenn er es mit einem Ultimatum versuchen sollte nach dem Muster: Wenn ihr Milbradt wählt, verliert ihr mich.
(von Jens Schneider)

Karl Nolle im Webseitentest
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