Sächsische Zeitung, 17.10.2001
Spitzel-Vorwürfe gegen Flath
Agrarminister lässt Video bei Regionalkonferenz drehen / Parteifreundin wegen Zwischenrufs zur Rede gestellt
DRESDEN. Bespitzelt Agrarminister Steffen Flath seine Parteifreunde? Ein Video von der Leipziger CDU-Regionalkonferenz sorgt für Unruhe in der Partei, nachdem Flath eine Fraktionskollegin wegen eines Zwischenrufs zur Rede stellte.
CDU-Generalsekretär Hermann Winkler ist sauer: "Ich verlange eine Stellungnahme Flaths vor der Fraktion!" Grund ist die Äußerung der stellvertretenden Fraktionschefin Rita Henke, sie fühle sich von Flath bespitzelt.
Auf der letzten von drei Regionalkonferenzen der CDU Ende August hatte Flath Video-Aufnahmen machen lassen. Das war zwei Wochen vor der Wahl seines Konkurrenten Georg Milbradt zum CDU-Landesvorsitzenden. Flath hatte seinen persönlichen Referenten mit dem Filmen beauftragt, um Rückschlüsse auf sein Auftreten ziehen zu können, bestätigte er selbst.
Brisanz gewinnt die Angelegenheit dadurch, dass Flath nicht nur sein Auftreten auswertete, sondern auch das von Gästen der Regionalkonferenz. Am 19. September, also nach dem Wahlparteitag, stellte er seine Fraktionskollegin Rita Henke zur Rede: Sie habe sich in einem Zwischenruf über ihn lustig gemacht - das sei deutlich auf dem Band zu hören. "Ich war geplättet", beschreibt Henke ihre erste Reaktion. Erst später verlangte sie von Flath, ihr das Band und alle Kopien bis Ende Oktober auszuhändigen.
Dieser hatte die Aufnahme schon weitergegeben, an "sechs oder sieben Parteifreunde", wie Flath sagt. Er selbst habe das Video erst nach dem Wahlparteitag gesehen. Er streitet nicht ab, dass Kopien auch an Personen in der Staatskanzlei gegangen sind - allerdings nicht in deren Funktion als Mitarbeiter der Behörde, wie er sagt. Er habe nur den Rat von Freunden gesucht.
Nach Berichten der Bild-Zeitung ist das Flath-Video jedoch mit anderen Aufnahmen in der Staatskanzlei zusammengeschnitten worden, um so auszuwerten, "wie sich Zuhörer verhalten und was sie gesagt haben", schreibt das Blatt. Flath verrät trotz der Vorwürfe nicht, wer das Band erhalten oder gesehen hat. Das sei eine "Privatsache".
Der politische Gegner beurteilt den neuerlichen Streit in der CDU mit Unverständnis und Häme. Die stellvertretende SPD-Fraktions-Chefin, Simone Raatz, bezeichnete Flaths Verhalten als "bodenlose Frechheit". Sie fühle sich an DDR-Zeiten erinnert. PDS-Fraktions-Chef Peter Porsch bemerkte süffisant, bei der CDU wundere ihn überhaupt nichts mehr.
Der Chef der CDU-Fraktion, Fritz Hähle, wiegelte ab: "Die Regionalkonferenzen waren eine öffentliche Veranstaltung, Aufzeichnungsgeräte waren im Saal erlaubt." Alles andere sei eine private Angelegenheit zwischen Flath und Henke. CDU-Generalsekretär Winkler sieht das nicht so. Flath solle seine Wahl-Niederlage akzeptieren, sonst gefährde er die Partei: "Wenn wir uns vor der Bundestagswahl zerstreiten, wird das Wahlergebnis nicht toll."
(Andreas Novak)