Dresdner Morgenpost, 19.10.2001
Biedenkopf-Affäre: Richter rügen Staatsregierung
Verfassungsgericht verpasste Staatsregierung eine Ohrfeige
LEIPZIG - Im Nachgang zur Affäre Biedenkopf hat nun auch der Sächsische Verfassungsgerichtshof der Staatsregierung eine deftige Ohrfeige verpasst. Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle errang dort gestern einen klaren Punktsieg.
Er hatte sich darüber beklagt, dass die Regierung Ende März Anfragen von ihm gar, nicht oder unzureichend beantwortet hätte. Es ging um das Wohnverhältnis von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) im Gästehaus der Staatsregierung und um die Nutzung von Dienstwagen durch Angehörige. Die Fragen hatten damals wesentlichen Anteil daran, dass die Fakten zur Miet-, Putzfrauen- und Dienstwagenaffäre ans Licht kamen. Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass die Regierung drei Fragen von Nolle gar nicht oder nur ausweichend beantwortet hatte. Sie habe den Abgeordneten damit in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt. In der Dienstwagen-Frage wollte sich Nolle eigentlich bestätigen lassen; dass Biedenkopfs Enkel so zur Schule und Gattin Ingrid zum Friseur gefahren wurde. Aber die Staatskanzlei nannte nur die einschlägige Verwaltungsvorschrift. „Danach war nicht gefragt", wunderte sich Richter Hans von Mangoldt in der Verhandlung. - Man habe indirekt zum Ausdruck bringen wollen, dass solche Fahrten nicht erfolgt seien, erklärte Jürgen Staupe für die Regierung. - „Das hätte einfacher gesagt werden können", raunzte Gerichtspräsident Thomas Pfeiffer. In der Urteilsbegründung gab er der Regierung noch mit auf den Weg, dass sie sich auch „mit zumutbarem Aufwand“ sachkundig machen müsse.
Vizeregierungssprecher Hartmut Häckel atmete auf, dass die Antworten zum Mietkomplex nicht beanstandet wurden. Wegen der Kfz-Nutzung werde geprüft, ob die wahren Antworten nachzureichen sind.
Die PDS-Fraktion begrüßte die Entscheidung als „Warnschuss vor den Bug" der Regierung. Nolle selbst sagte voraus, die Affäre Biedenkopf gehe erst zu Ende, „wenn er Rentner ist".
(Stefan Rössel)