Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 13.11.2001

Staatsanwältin fühlte sich gedrängt

Neue Hinweise auf Einfluss durch den Generalstaatsanwalt im Paunsdorf-Verfahren
 
Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm gerät weiter unter Druck. Er soll eine Staatsanwältin dazu gedrängt haben, das Ermittlungsverfahren um das Paunsdorf-Behördenzentrum sehr schnell einzustellen.

Die mit dem Paunsdorf-Verfahren befasste Staatsanwältin äußerte im März 2000 in einem Telefonat mit ihrer vorgesetzten Behörde Bedenken angesichts der von ihr geplanten Wiederaufnahme des Verfahrens. Das geht aus einem internen Vermerk der Generalstaatsanwaltschaft hervor, über den gestern das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtete. Sie sei 1998 von der Generalstaatsanwaltschaft "geradezu gedrängt worden", das Verfahren "sehr schnell einzustellen", hieß es in der Gesprächsnotiz. Sie habe damals große Mühe gehabt, die Einstellungsverfügung "einigermaßen plausibel zu begründen".
Der Büro-Komplex in Leipzig-Paunsdorf war von dem Unternehmer Heinz Barth errichtet worden - einem Freund von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf. Ab Anfang 1997 untersuchte das Landeskriminalamt, ob bei der Anmietung des Behördenzentrums durch das Land Steuergelder veruntreut wurden. Die Ermittlungen wurden später eingestellt. Auch die Wiederaufnahme des Verfahrens im vorigen Jahr scheiterte. Schwalm hat es bisher stets bestritten, Anweisungen gegeben zu haben. Seit einiger Zeit befasst sich ein Untersuchungsausschuss des Landtags mit den Vorwürfen. Dort geht es insbesondere um die Frage, inwieweit Biedenkopf zugunsten seines Freundes Einfluss auf die Mietverträge genommen haben soll.

Erst vor einigen Tagen wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Dresden prüft, ob es bei der Generalstaatsanwaltschaft in dieser Sache zu einer Strafvereitelung im Amt gekommen ist (die SZ berichtete). Das Vorermittlungsverfahren läuft bereits seit fünf Monaten. Das Justizministerium sehe keinen Anlass für eine Suspendierung Schwalms, sagte der Sprecher Wolfram Jena, gestern.

Die Opposition plant jetzt, Schwalm als Zeugen im Untersuchungsausschuss zu hören. Der Parlamentarische Geschäftsführer der PDS-Fraktion, Andre Hahn, sagte, die Akten enthielten deutliche Anhaltspunkte für politischen Einfluss auf die Ermittlungen. Die SPD will im Rechtsausschuss des Landtages Aufklärung darüber verlangen, ob Schwalm auf politisch brisante Ermittlungsverfahren eingewirkt hat. Beispiele seien die - inzwischen abgeschlossenen - Verfahren gegen den früheren Justizminister Steffen Heitmann und gegen den Datenschutzbeauftragten Thomas Giesen, sagte die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Margit Weinert. Außer Schwalm solle auch die zuständige Staatsanwältin aus Leipzig als Zeugin vor den Untersuchungsausschuss geladen werden.
(Von Karin Schlottmann)

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