DNN, 11.01.2002
Für Biedenkopf ist alles Polit-Getöse
Sachsens Regierungschef weist vor dem Paunsdorf-Ausschuss Vorwürfe der Begünstigung erneut zurück
DRESDEN. Im Beratungsraum hoch über der Elbe war schon längst vor 14 Uhr kein Platz mehr frei. Um diese Zeit sollte der Untersuchungsausschuss zum Behördenzentrum Leipzig-Paunsdorf beginnen, und kein Geringerer als Kurt Biedenkopf (CDU) persönlich trat im sechsten Stock des Parlamentsgebäudes zur Vernehmung an. Und er kam mehr als pünktlich. Etwas mühsam, aber milde lächelnd setzte sich der Regierungschef auf seinen Platz, zwei Dutzend Kameras und Mikrofone noch einige Zeit in seinem Rücken - ein mit Spannung erwarteter Auftritt.
Es geht um seinen Duz-Freund Heinz Barth, den Investor, um den Vorwurf der Begünstigung und Vorteilnahme; und es geht um den angeschlagenen Ministerpräsidenten selbst. Der soll nicht nur mitverantwortlich sein für überhohe Mieten, lange Laufzeiten und den Schaden durch Paunsdorf in mehrstelliger Millionenhöhe fürs Land, sondern auch gelogen haben - sagen die Oppositionellen
Karl Nolle (SPD) und André Hahn (PDS) schon seit Wochen unisono, im Ausschuss und auch öffentlich.
Entsprechend aufgeladen war gestern die Stimmung. Auch bei Andreas Hahn (CDU): Wacker kämpfend nutzte der Ausschusschef seine Rolle zu Beginn erstmal für eine Rüge am Verfahren. Bereits jetzt sei öffentlich bewertet worden, was Aufgabe des Ausschusses am Ende sei; per Internet sei längst nachzulesen, was an "Vorurteilen" gegen Biedenkopf kursiere - ein klarer "Missbrauch", der die Arbeit unterlaufe.
Damit war der Tenor der Debatte klargestellt, dann kam der Regierungschef und legte nach: "Eklatant" seien die Verstöße, sagte Biedenkopf an die Adresse von Nolle und PDS-Mann Hahn, ohne "jedes Vorbild". Das Ganze könnte schnell "Gegenstand einer gerichtlichen Prüfung" werden. Zur Sache freilich sprach er auch: dass er sich nicht unlauter eingemischt habe auf die Vertragsabschlüsse zwischen Land und Paunsdorf-Investor Barth; dass er nicht Mietpreise vorweggenommen und "diktiert" habe, wie Nolle meint; und dass - vor allem anderen - kein Schaden entstanden sei, im Gegenteil.
Das ist die entscheidende Frage. Akribisch rechnete PDS-Hahn dem Regierungschef jene Punkte vor, wo Unklarheiten herrschten: Mieterhöhungen ohne Not, zusätzliche Einbauten, höhere Quadratmeterzahlen als nötig und Biedenkopf-Vermerke gleich im Dutzend, wo dieser doch erklärt hat, er hätte sich nicht eingemengt. An insgesamt 34 Stellen, meinte Hahn, hantiere Biedenkopf mit "Lügen, Halbwahrheiten und Widersprüchen".
Für den Regierungschef ist all dies Wortverdreherei und Polit-Getöse. "Ich weiß nicht", meinte er spitz Richtung Hahn, "wie Sie sich das Regieren vorstellen". Beschleunigt habe er das Ganze, wohl wahr, aber mehr auch nicht. Das sei "gut und richtig", damit Investoren den Eindruck bekommen, "dass man sich kümmert".
Das war gut gesagt vom Regierungschef und dennoch knapp daneben. Denn an einem Punkt musste Biedenkopf einräumen, dass er etwas weit gegangen war: bei seiner Rede im Dezember vor dem Landtag. "Es findet in dem ganzen Gutachten", hatte Biedenkopf damals zum Rechnungshofbericht von 1996 erklärt, "keine kritische Auseinandersetzung mit den abgeschlossenen Mietverträgen statt". Die Lesart gestern lautete ein wenig anders: "In der Tat" habe der Hof "schwerwiegende Mängel" festgestellt, aber eben "nur in einem Fall" von vielen. Und überhaupt habe nicht er, sondern letztlich der Finanzminister die Mieten "verhandelt oder politisch zu verantworten".
Für Nolle ist das der politisch entscheidende Punkt. Biedenkopf sei "ein Ministerpräsident auf Abruf", meinte der SPD-Mann gestern, und jetzt gebe er seinem CDU-internen Widersacher schlicht die Schuld. Finanzminister zu Paunsdorf-Zeiten war kein anderer als der jetzige CDU-Landeschef Georg Milbradt.
(Jürgen Kochinke)