DNN, 18.01.2002
Am Tag danach wirkt CDU wie aufgeschreckter Hühnerhaufen
Die Lager in Fraktion und Partei suchen noch nach Alternativen zu Milbradt
DRESDEN. Gemurmel und Getuschel in allen Ecken des Landtags: Am Tag nach Kurt Biedenkopfs scharfen Angriffen gegen Georg Milbradts Unionsführung und seiner Rücktrittsankündigung für den 18. April wirkten die Abgeordneten der CDU-Fraktion gestern wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. Kein Wunder: Der Flügel der Milbradt-Anhänger, die den CDU-Landeschef zum Ministerpräsidenten wählen würden, ist keinesfalls so stark, dass ihm schon eine Mehrheit sicher ist. Stattdessen sondieren diejenigen, die Milbradt noch als Regierungschef verhindern wollen, die Möglichkeiten. Fraktionschef Fritz Hähle kann sich "vorstellen, dass sich eine Bewegung in Gang setzt, die auch eine Alternative möchte".
Das Problem ist nur: Bislang gibt es keine Integrationsfigur, die die gespaltenen Unionslager zusammenführen kann und will. Als einer der aussichtsreichsten Figuren galt noch Europaminister Stanislaw Tillich, der jedoch gestern eine Gegenkandidatur für das höchste Amt im Freistaat indirekt ausschloss. Ein weiterer Bewerber würde die Einheit der Union nur gefährden, Partei und Fraktion bräuchten Geschlossenheit, beschied der 42-jährige Sorbe.
Ins Spiel gebracht wird derweil wieder Thomas de Maiziére. Der Finanzminister wollte sich aber gestern nicht zu den Spekulationen äußern - und nicht einmal eine Bewerbung ausschließen. Damit bleibt er noch im Rennen. Zudem gibt es führende Christdemokraten in den Kreisverbänden und Landratsämtern, die auch in Gesprächen mit dem Ministerpräsidenten über Alternativen diskutieren. Der Name de Maiziére soll dabei durchaus ins Spiel gebracht worden sein. Er gilt allerdings kaum als mehrheitsfähig.
Gleichzeitig bemühten sich alle Unionskreise gestern, nach den massiven Vorwürfen des scheidenden Ministerpräsidenten wieder zu einem Bild von Einigkeit zurückzukehren. Milbradt und Fraktionschef Hähle verabredeten in einem fast einstündigen Gespräch, dass die Spitzen von Partei und Fraktion schon in den nächsten Tagen zu einer gemeinsamen Sitzung zusammenkommen sollen, um eine weitere Spaltung zu verhindern. Am 26. Januar werde der CDU-Landesvorstand Datum und Ort des Sonderparteitages bestimmen, auf dem ein Biedenkopf-Nachfolger gekürt werden dürfte. Als wahrscheinlich gilt ein Termin im März. Der Regierungschef wird Kraft seines Amtes an den Sitzungen beteiligt sein.
Die Kreise um Milbradt rechnen indes fest mit dessen erfolgreicher Wahl zum neuen Ministerpräsidenten am 18. April "Da brennt nichts mehr an", sagte ein Abgeordneter. Unterstützung erhielt der vor einem Jahr geschasste Finanzminister bereits vom Parteivize Steffen Flath. Der Umwelt- und Agrarminister hatte zwar im September die Vorsitzendenwahl gegen Milbradt verloren. Er kündigte gestern jedoch an, seinen einstigen Rivalen zu unterstützen, wenn es keinen weiteren Bewerber gibt. Milbradt habe bislang die beste Ausgangsposition. Biedenkopf hatte Milbradt am Mittwoch Intrigenspiele vorgeworfen. Teile der Parteispitze hätten seinen Rücktritt betrieben.
(Sven Heitkamp)