Sächsische Zeitung, 18.01.2002
CDU droht neues Nachfolgerduell
Nach Biedenkopfs Ankündigung geben mögliche Anwärter den Weg für Parteichef Milbradt frei - bis auf Finanzminister de Maizière
DRESDEN. In Sachsens CDU hat die heiße Phase im Kampf um die Nachfolge von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf begonnen. Nachdem Parteichef Georg Milbradt am Vortag seine Ambitionen verkündet hat, brachten gestern Unions-Politiker erstmals die Möglichkeit eines Gegenkandidaten ins Spiel. "Ich rechne fest mit einem zweiten Bewerber", so der ehemalige CDU-Generalsekretär Frank Kupfer. Dieser werde wohl "aus dem aktuellen Kabinett kommen".
CDU-Fraktionschef Fritz Hähle sieht in einem möglichen Gegenkandidaten zu Milbradt kein Problem. "Georg Milbradt hat selbst gesagt, Konkurrenz belebt nur das Geschäft. Er müsste sich demnach sogar an der Suche beteiligen." Bei einer Einzelkandidatur, so Hähle, bestehe dagegen die Gefahr, sich durch ein schwaches Stimmergebnis selbst zu schwächen.
Der Kreis der möglichen Gegner Milbradts schmolz gestern jedoch deutlich. Agrarminister Steffen Flath, der Milbradt auf dem Glauchauer Parteitag vor vier Monaten beim Kampf um den Parteivorsitz unterlag, winkte ab. "Ich werde wie abgesprochen auf keinen Fall gegen Georg Milbradt antreten." Auch Kultusminister Matthias Rößler bestätigte auf Anfrage: keine Nachfolger-Kandidatur. Selbst der nach wie vor als aussichtsreicher Anwärter gehandelte Europa-Minister Stanislaw Tillich macht erst einmal den Weg für Milbradt frei. "Fraktion und Partei müssen jetzt Geschlossenheit zeigen. Ein zweiter Bewerber würde das nur gefährden."
Als einziger ernst zu nehmender Gegenkandidat verzichtete gestern jedoch Finanzminister Thomas de MaiziSre auf ein klares Nein. Auf Anfragen, ob er auf dem geplanten CDU-Sonderparteitag als Nachfolgekandidat antritt, hieß es zunächst nur: kein Kommentar. Am Abend überraschte de MaiziSres Sprecher dann mit einer kryptischen Sprachregelung: "Der Minister hält es für richtig, interne Gespräche mit allen Beteiligten zu führen, um im Rahmen des in Glauchau festgelegten Verfahrens eine möglichst breite Basis für eine Nachfolgerregelung zu finden." Grob übersetzt heißt das: Findet sich für de MaiziSre genügend Unterstützung, tritt er eventuell an. Wenn nicht, wird die Aktion abgeblasen.
Unzufriedenheit und mahnende Stimmen
Die Unzufriedenheit vieler Gruppen und Einzelpersonen in der CDU ist für Milbradt unterdessen weiter eine hohe Hürde. "Zurzeit ist er der Favorit der Partei. Und wenn kein anderer antritt, ist er der Nachfolger", räumt Sozialminister Hans Geisler ein. Aber auch Geisler erinnerte gestern daran, dass er schon früher "zur Zurückhaltung gegenüber einem Kandidaten Milbradt" geraten habe.
Der geriet jetzt überraschend ins Kritikfeuer des Parteinachwuchses. Die Junge Union, die bisher geschlossen hinter Milbradt stand, ist unzufrieden, weil der frisch gebackene CDU-Chef zugesagte Finanzhilfen für die Nachwuchsorganisation kürzlich wieder sperrte. Nun droht Kandidat Milbradt auch hier ein schmerzhafter Punkteabzug.
Keine Alternative zu Milbradt sieht dagegen weiterhin der CDU-Abgeordnete Heinz Eggert. Parteivize Christine Weber ist ebenfalls überzeugt, "dass es auf Milbradt hinauslaufen wird". Entscheiden müssten dies jedoch Partei und Fraktion gemeinsam. Angesichts des drohenden Machtduells mehren sich die Stimmen, die zu Besonnenheit mahnen. Neben Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) ist die CDU-Landtagsabgeordnete Veronika Bellmann besorgt, dass man in eine neue Zerreißprobe schlittert. "Entgegen anders lautender Meldungen wäre es mir lieber gewesen, wenn Kurt Biedenkopf erst nach der Bundestagswahl zurückgetreten wäre", so Bellmann. Inzwischen wird in der Partei jedoch längst wieder über Regionalkonferenzen diskutiert wie einst beim Duell Milbradt-Flath. Die machen aber nur Sinn, wenn es künftig tatsächlich zwei Bewerber für die Biedenkopf-Nachfolge geben sollte.
(Gunnar Saft)