Sächsische Zeitung, 28.01.2002
Milbradt nimmt CDU in die Pflicht
Fraktion soll den auf Sonderparteitag gekürten Biedenkopf-Nachfolger ins Amt wählen: "Wir haben die Mehrheit"
DRESDEN. Am 9. März wird Sachsens CDU auf dem stillgelegten alten Abflug-Terminal in Dresden entscheiden, wem sie die "Starterlaubnis" für die Biedenkopf-Nachfolge erteilt. Der Landesvorstand beschloss am Wochenende, für diesen Tag einen Sonderparteitag einzuberufen. Die Delegierten sollen dann jenen Kandidaten bestimmen, der sich am 18. April dem Landtag zur Wahl als neuer Ministerpräsident stellt.
Der bisher einzige Bewerber, Parteichef Georg Milbradt, hatte keine großen Schwierigkeiten, diesen Fahrplan im CDU-Führungsgremium abzustimmen. Umstritten blieb nur der Termin für die Nominierung der künftigen CDU-Bundestagskandidaten. Die sollen nun am gleichen Tag und am gleichen Ort im Anschluss an den Parteitag gewählt werden. Ein anderes Problem konnte Milbradt dagegen noch nicht lösen: die bislang schwache Unterstützung durch die CDU-Fraktion. Dort haben sich erst 48 von 76 Abgeordneten für ihn ausgesprochen. Mindestens 61 Stimmen sind jedoch für eine Wahl nötig. CDU-Fraktionschef Fritz Hähle, der einer Kandidatur Milbradts kritisch gegenübersteht, gab seinen Widerstand auch am Wochenende nicht auf. Die Fraktion sei nicht zwingend an das Votum des Parteitages gebunden, sagte Hähle am Rand der Sitzung. Sein Einwand lässt darauf schließen, dass er die Suche nach Alternativbewerbern noch nicht aufgegeben hat.
Angesichts dieser Situation ging Milbradt später vor der Presse in die Offensive. "Ich bin nicht auf der Suche nach Mehrheiten. Wir haben die Mehrheit im Landtag", erklärte er forsch auf Nachfragen, ob er im Fall seiner Kür zum Nachfolge-Kandidaten um eine Niederlage im Landtag fürchtet. Deutlich erklärte der CDU-Chef, was er in diesem Fall von der Fraktion erwartet. "Mit 76 Mandaten hat sie genügend Kraft, um die Entscheidung eines CDU-Sonderparteitages umzusetzen." Gleichzeitig wies er das Angebot der PDS-Fraktion zurück, ihn im Fall von politischen Kompromissen mit Zugeständnissen zu unterstützen. "Das brauchen wir nicht. Und da bin ich mir auch mit Herrn Hähle einig." Auf einen möglichen Gegenkandidaten angesprochen erklärte Milbradt, er sehe zurzeit niemanden. Deshalb will die CDU auch auf Regionalkonferenzen verzichten, wie man sie im vergangenen Jahr beim Duell Milbradt gegen Agrarminister Steffen Flath um den Parteivorsitz durchgeführt hatte. Für die nächsten Tage ist jedoch ein Treffen des Parteivorstandes mit dem geschäftsführenden Vorstand der CDU-Landtagsfraktion geplant. Hinter verschlossenen Türen werden Milbradt und Hähle dann offenbar Tacheles reden.
(Gunnar Saft)