Sächsische Zeitung, 12.02.2002
Paunsdorf-Affäre: Schachzug mit einer Dame
Opposition verliert plötzlich das Interesse an Ingrid Biedenkopf, dafür gerät CDU-Chef Georg Milbradt ins Visier
Die Aktenberge im Paunsdorf-Untersuchungsausschuss wachsen und wachsen, ohne dass absehbar ist, ob und wann die Amigo-Vorwürfe gegen Noch-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) aufgeklärt werden. Da erreichte den Ausschuss am Freitag noch eine überraschende Botschaft von Ingrid Biedenkopf, die eigentlich am 25. Februar als Zeugin vernommen werden sollte. Leider, so teilte die Premiersgattin überraschend mit, könne sie diesen Termin wegen eines unaufschiebbaren Krankenhausaufenthaltes nicht wahrnehmen. Fast schien ihre Absage eine Prophezeihung des SPD-Abgeordneten
Karl Nolle zu bestätigen. Nolle, verärgert über eine vermeintliche Verzögerungstaktik der CDU-Mitglieder im Ausschuss, hatte vor Wochen vor einem "Paunsdorf-Virus" gewarnt. Der befalle offenbar jeden Zeugen, der Licht in die Vorgänge um das Behördenzentrum Paunsdorf bringen könnte, welches vom Investor Heinz Barth, einem Freund der Biedenkopfs, zu umstritten günstigen Konditionen an den Freistaat vermietet wurde. Doch diesmal hielt sich die Empörung der Opposition in Grenzen. Das Angebot von Ingrid Biedenkopf, notfalls bereits am 22. Februar auszusagen, schien nicht mehr so wichtig. Auch die Umstände des Klinikaufenthaltes interessierten weniger.
PDS-Obmann André Hahn reagierte dafür mit einem Gegenangebot. Falls Frau Biedenkopf schriftlich erkläre, sie habe keine Geschäftsbeziehungen zu Herrn Barth und von dessen Paunsdorf-Projekt nicht profitiert, könne man eventuell auf eine Vernehmung ganz verzichten. Hahn erklärt die Offerte mit der Kraft des Faktischen. Längst sei absehbar, dass eine Vernehmung von Frau Biedenkopf frühestens im Sommer möglich wird. Dann aber wäre ihr Mann lange zurückgetreten und es drohe der Eindruck, man karte nur böse nach. Dafür sei er aber nicht angetreten. "Auch in der Politik müssen menschliche Gesetze gelten." Für das sinkende Interesse an einem Ausschuss-Auftritt von Ingrid Biedenkopf, der in Dresden mit amüsierter Spannung erwartet wurde, gibt es natürlich Gründe. So hat die Opposition längst einen wichtigeren Gegner ausgemacht: Georg Milbradt, CDU-Chef und Ministerpräsidenten-Anwärter. Der war zuvor von Biedenkopf selbst ins diffuse Licht der Mitverstrickung gestellt worden. Eine Chance, die sich PDS und SPD nicht entgehen lassen wollen. Für ihren Plan, Milbradt möglichst vor der am 18. April anstehenden Neuwahl des Regierungschefs im Ausschuss zu vernehmen, braucht man aber die Stimmen der CDU-Mitglieder. Und auf die wird der Druck nur größer, wenn man nicht mehr als Verteidiger der Ehre der "Landesmutter", sondern als Schutztruppe für einen attackierten Kandidaten wahrgenommen wird.
(Von Gunnar Saft)