Kein Nachtreten gegen den König, 01.02.2002
Buch „Das System Biedenkopf“ erschienen - Autor sieht Streit zwischen Oligarchen und Volksouveränität
DRESDEN. Zuletzt überrollten die Ereignisse die geplanten Erscheinungstermine. Ein Buch, das den Titel „Das System Biedenkopf“ trägt, lässt sich nur erfolgreich verkaufen, wenn dessen Namensgeber noch in Amt und Würden ist. „Sein Rücktrittstermin saß uns im Nacken", räumte Autor Michael Bartsch ein. Ob das 236 Seiten starke Werk, das ab Samstag für 12,90 Euro im Handel ist, mit der heißen Nadel gestrickt ist, mag ein gründlicheres Studium erweisen.
Nur zwei Monate hat Bartsch für seine Recherchen benötigt. Dabei schöpfte der Dresdner aus seinem Archiv und einem guten Jahrzehnt journalistischer Begleitung Biedenkopfs. Eine Biografie solle sein Buch nicht sein. Auch die Erwartung großer Enthüllungen dämpft Bartsch. Es werde kein Schlachtfest, nicht einmal ein Nachtreten. „Sehr viel Sympathie“ für Biedenkopf will sein Verleger bei seinem Autor festgestellt haben. Der gilt als unverdächtig mit jenen verglichen zu werden, mit denen er süffisant abrechnet. „Blätter, die sich noch vor Jahresfrist in Elogen und Fortsetzungsromanen über das weiß-grüne Fürstenpaar ergingen, kratzten plötzlich im Wortsinn die Butter vom Brot in der Küchenkommune des Gästehauses. „Hass sei nicht von Vorteil“, meinte Bartsch bei seiner Präsentation, und
Karl Nolle dürfte über diesen Schlenker nicht glücklich gewesen sein. Der „Wadenbeißer“ kommt in der Analyse nicht sonderlich gut weg.
„Das System Biedenkopf gibt es nicht nur in Sachsen“, heißt es im Vorwort. Als „Streit zwischen Oligarchen und Volkssouveränität“ sieht Bartsch die Balance in Sachsen verschoben und fühlt sich wie nach der Wende wieder an der „Stunde null“ stehend. Als Beleg dient ihm das Vakuum in der CDU und die „Suche nach einem starken Mann, hinter dem man sich versammeln kann“. Eine „Mischung aus Annekdotischem und dem „Versuch einer delikaten Annäherung an den Charakter Biedenkopfs“ nennt Bartsch seine „Fallstudie“. Viel Neues kann er nicht berichten, aber der Zeitpunkt der Drucklegung ist gut getroffen.
(Hubert Kemper)