Frankfurter Rundschau, 24.04.2001
Anwalt zeigt Biedenkopf an - Regierungschef zahlt angeblich zu wenig für die Dienstvilla
In der so genannten Putzfrauen-Affäre hat der Dresdner Rechtsanwalt Michael Sturm Anzeige gegen Sachsens Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf erstattet.
DRESDEN, 23. April. Sturm, der auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen (ASJ) in Sachsen ist, verdächtigt Biedenkopf, für seine Dienstvilla in Dresden zu wenig Abgaben entrichtet zu haben. Die Staatsanwaltschaft Dresden will aber nicht ermitteln. Man habe die Anzeige geprüft, es gebe aber keine neuen Tatsachen, die einen Anfangsverdacht begründeten, sagte Oberstaatsanwalt Claus Bogner der FR.
Biedenkopf zahlt nach Angaben der Staatskanzlei für seine 155 Quadratmeter große Wohnung im Gästehaus der Landesregierung monatlich ein Nutzungsentgelt von 1857,03 Mark. Darin sind auch die Dienstleistungen von Koch, Gärtner und Hausmeister enthalten. Sturm sagte am Montag, eine solche Miete sei "unglaublich günstig." Würden eine ortsübliche Miete angenommen und die Kosten für das Dienstpersonal angerechnet, müsste Biedenkopf monatlich etwa 5700 Mark bezahlen. Der geldwerte Vorteil betrage mithin 3842,97 Mark monatlich.
Der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle, der mit Anfragen zur Miete und Dienstwagennutzung die Affäre ausgelöst hatte, wirft der Staatsregierung vor, unvollständig und fehlerhaft geantwortet zu haben. Nolle hat deshalb vor dem Leipziger Verfassungsgerichtshof ein Organstreitverfahren angestrengt. Damit soll geklärt werden, ob sein Auskunftsrecht als Abgeordneter verletzt wurde oder nicht.
Nolle sagte am Montag, er habe Hinweise auf weitere Verstöße. Danach soll Biedenkopfs Ehefrau Ingrid alleine mit einem Polizeihubschrauber zu einem Krankenbesuch geflogen worden sein. Um das zu klären, hat Nolle eine weitere Anfrage gestellt, die sich mit der Nutzung von Polizeihubschraubern durch Familienangehörige des Ministerpräsidenten befasst.
Zurzeit prüfen der Landesrechnungshof und eine Gruppe aus Mitarbeitern der Regierung das Finanzgebaren in der Dienstvilla. Anfang Mai will die Landesregierung ihren Bericht vorlegen.
(Von Bernhard Honnigfort)