Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 03.05.2001

"Bitte tragen Sie Ihren Verbrauch ein"

Die erste deutsche Polit-WG
 
DRESDEN. Gerade mal sechs Tage waren seit der Landtagswahl am 14. Oktober 1990 vergangen, als Kurt und Ingrid Biedenkopf in die Villa auf der Schevenstraße 1 einzogen. Eigentlich sollte das Anwesen an den Dresdner Elbhängen als Stasi-Gästehaus dienen; nun wurde es Amtswohnung des Ministerpräsidenten und Heimstatt für eine in Deutschland einzigartige Wohngemeinschaft: Weil Wohnraum knapp und teuer war, bezogen hier nach und nach auch acht Minister und Staatssekretäre Appartements. Zwangsläufig kreuzten sich deren Wege - wenn nicht auf dem Flur, dann spätestens am Frühstückstisch.
Dass der vor allem mit gesunden Nahrungsmitteln gedeckt wurde, war das Verdienst von Ingrid Biedenkopf. Nur wenige Gäste wagten sich so dagegen aufzulehnen wie Ex-Innenminister Heinz Eggert: "Ich bin doch kein Papagei." Auch ums Abkassieren kümmerte sich die Landesmutter. Ein mit Hand geschriebener Hinweis am Kühlschrank diente als Erinnerungsstütze: "Bitte tragen Sie Ihren Verbrauch ein." Von Ex-Finanzminister Georg Milbradt ist überliefert, dass er die Strichliste nicht immer sehr genau nahm.
Ehemalige Bewohner der Polit-Kommune erinnern sich mit gemischten Gefühlen an die frühen 90er Jahre. Einerseits konnte man wichtige Entscheidungen auf dem kurzen Dienstweg treffen. Andererseits mochte nicht jeder schon zum Frühstück böse Bürgerbriefe ans "Büro Ingrid Biedenkopf" serviert bekommen. Von der WG sind heute nur noch die Biedenkopfs und Wirtschafts-Staatssekretär Wolfgang Zeller übrig.
(SZ/sk)

Karl Nolle im Webseitentest
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