DNN, 04.05.2001
Widersprüche um die Wohnung der Biedenkopfs bleiben
Miethöhe weiter strittig / Nolle fordert Rücktritt
DRESDEN. In der "Putzfrauen-Affäre" von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) tauchen immer neue Widersprüche auf. Die beiden Dresdner Sachverständigen kommen in ihrem Mietgutachten für das Gästehaus des Freistaates in der Schevenstraße zu dem Schluss, dass bei einer Neuvermietung eine Nettokaltmiete von 13 Mark angemessen wäre. Biedenkopfs zahlen jedoch seit Juli 1997 nur 8,15 Mark pro Quadratmeter.
Die Staatskanzlei verweist darauf, dass das Land die Immobilie auch nur für 8,15 Mark von der Treuhandliegenschaftsgesellschaft angemietet hat. Die Gutachter, die von der Staatskanzlei beauftragt worden waren, betonen indes die gute Lage, den schönen, freien Blick über die Stadt Dresden und das Ambiente besonderer Art.
Strittig ist auch die Größe der zwei Appartements. Regierungssprecher Michael Sagurna hatte bisher die Wohnfläche mit rund 155 Quadratmetern angegeben. Die Arbeitsgruppe der Staatsregierung, die vorgestern ihren Bericht vorgelegt hatte, ging indes nur noch von 130 Quadratmetern aus und begründete damit einen Rückzahlungsanspruch Biedenkopfs in Höhe von 13800 Mark (DNN berichtete). Laut dem Gutachten stehen den Biedenkopfs aber real 216 Quadratmeter zur Verfügung. Ein Vorraum mit 24 Quadratmetern, ein Arbeitszimmer mit 32 Quadratmetern und der Turm des Hauses mit 30 Quadratmetern bleiben dabei mietfrei. Der Turm könne nur als Dachboden angesehen werden.
Bei der Ermittlung der Nebenkosten errechneten die Gutachter, dass durch Heizkostensteigerungen inzwischen eine Erhöhung der Betriebskostenpauschale auf 4,20 Mark angemessen wäre. Staatskanzleichef Georg Brüggen hatte indes erklärt, dass statt der gezahlten Nebenkosten von 3,80 pro Quadratmeter nur 3,30 Mark berechtigt waren und der Ministerpräsident 3000 Mark zu viel gezahlt habe. Erläuterungen lehnten die Gutachter gestern ab. Dies sei von der Staatskanzlei untersagt worden.
Maulkorb für Gutachter
In der Mietkostenberechnung sind die Serviceleistungen von mehreren Hauswirtschafterinnen und dem Koch noch nicht enthalten. Der Landesrechnungshof, der sich schon 1994 mit den Gästehäusern beschäftigt hatte, ermittelte seinerzeit, dass angesichts der "hotelähnlichen" Leistungen und entsprechender Ausgaben ein monatliches Entgelt von 77 Mark pro Quadratmeter im Jahr 1992 und 92 Mark 1993 angemessen gewesen wäre. Dabei wurden die Gesamtkosten des Gästehauses samt Personals anteilig auf die vermietete Fläche umgelegt. Die Hinweise der Prüfer wurden aber nicht verfolgt. Der Rechnungshof will noch im Mai eine neue Prüfung vorlegen.
Sagurna bezeichnete die Forderungen derweil als Milchmädchenrechnung, da im Gästehaus schwer zwischen privaten und dienstlichen Nutzungen unterschieden werden könne. Sagurna schloss zugleich nicht aus, dass künftig andere Regelungen getroffen würden. So rechnet die Staatskanzlei damit, dass Biedenkopfs für Personaleinsätze im Privathaus am Chiemsee und für die Fahrdienste des Innenministeriums fast 23000 Mark nachzahlen müssen.
Der SPD-Abgeordnete
Karl Nolle forderte gestern gegenüber unserer Zeitung Biedenkopf zum Rücktritt auf. Die Staatsregierung betreibe "statt brutalstmöglicher Aufklärung eine brutalstmögliche Verarschung des Landes".
SPD-Fraktionschef Thomas Jurk kritisierte, es entstehe der Eindruck, dass der Regierungschef aus seinem Amt heraus private Vorteile habe. Sachsens Stimme auf Bundesebene - etwa in den Soli-II-Verhandlungen- drohe zu verblassen. Biedenkopf solle die Konditionen in der Schevenstraße von einer Kommission bewerten lassen und künftig bezahlen.
(Sven Heitkamp)