Karl Nolle, MdL

DNN, 05.05.2001

Bermuda-Dreieck sächsische Staatskanzlei

Brisante Rechnungshof-Forderungen zum Gästehaus verschwanden vor Jahren
 
DRESDEN. Ein kritischer Vermerk des Rechnungshofes, der als angemessenes Mietentgelt im Gästehaus des Freistaates in der Dresdner Schevenstraße zwischen 77 und 93 Mark veranschlagte, ist erst gestern wieder in der Staatskanzlei aufgetaucht. Das vertrauliche Papier mit dem Aktenzeichen II-0411000H1L92.36 aus dem Jahr 1994 sei in einem Ordner von 1991 abgelegt worden, sagte Regierungssprecher Michael Sagurna unserer Zeitung.

Der Vermerk, der bisher nur aus Unterlagen im Finanzministerium bekannt war (DNN berichtete), enthält einige Sprengkraft. Sein Verfasser, der damalige Rechnungshofdirektor Knief, ging davon aus, dass alle Mieter des Hauses - also auch das Ehepaar Biedenkopf - "für die Nutzung der Räume in der Schevenstraße kostendeckende Entgelte zahlen" müssten, also die Wohnungs-Vollkosten und sonstigen Leistungen. Für Miete, Personal und Service wären nach Rechnungshof-Ermittlungen für die "hotelähnliche" Einquartierung 1992 monatlich fast 77 Mark pro Quadratmeter und 1993 fast 93 Mark fällig.

Diese Summen hätten nahe legen können, dass Gästehaus zu schließen, sagte Sagurna. Forderungen in dieser Höhe hätten nicht auf die Mieter umgelegt werden können. Biedenkopf zahlte seit 1997 eine Kaltmiete von 8,15 Mark plus Warmkosten von 3,80 Mark. Die PDS verlangte nun auch den Rücktritt des amtierenden Staatskanzleichefs Georg Brüggen. Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle fragte nach Einflussnahmen auf Rechnungshofdirektor Knief.

Die Forderungen der Prüfer wurden vom Finanzministerium an die Staatskanzlei weitergeleitet. Deren damaliger Chef, Günter Meyer, habe das Schreiben mit Eilvermerk an die Arbeitsebene weitergereicht. Dort verliert sich die Spur. Sagurna zeigte sich "ratlos", wie das Papier verschwinden konnte: "Darauf weiß ich keine Antwort." Verantwortliche und Mitarbeiter würden dazu befragt. Der Rechnungshofvermerk war am Mittwoch zwar dem Landtag, nicht aber der Presse übergeben worden.

Die Opposition fordert Rückzahlungen Biedenkopfs an das Land. PDS-Chef Peter Porsch spricht von 1,2 Millionen Mark. SPD-Fraktionschef Thomas Jurk deutete eine Rücktrittsforderung an: Andere Politiker hätten schon für weit geringere Vorteile Konsequenzen gezogen. Beide Parteien stellten zudem neue Fragen und Berichtsanträge. Die Öffentlichkeit müsse über alle Unterlagen informiert werden.
Einen Rückzieher kündigte Regierungssprecher Sagurna im Fall einer Schevenstraßen-Hauswirtschafterin an. Diese Haushaltshilfe ist ausgerechnet bei der Firma des Schwiegersohns von Ingrid Biedenkopf, Andreas Waldow, angestellt und war seit anderthalb Jahren im Gästehaus tätig. Die Firma "Wisser Dienstleistungen" erhielt dafür bisher mehr als 55 000 Mark. Sagurna sagte unserer Zeitung, er gehe davon aus, dass der Vertrag gekündigt werde. Staatskanzleichef Brüggen hatte die Konstellation zuvor in seinem Bericht "unglücklich" genannt. Es könne der "Eindruck der Bevorzugung dieser Firma wegen des verwandtschaftlichen Verhältnisses" entstehen. Der Vertrag war 1999 von der Staatskanzlei freihändig vergeben worden.

Andreas Waldow und seine Frau Petra hatten zudem im Frühjahr 1995 etwa zehn Wochen in der Schevenstraße gewohnt. Eine Mietzahlung, die offenbar Frau Biedenkopf dafür übernehmen wollte, ging nie auf Landeskonten ein.
(Sven Heitkamp)

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