Berliner Zeitung, 09.04.2001
Plädoyer ohne Pomp - Ingrid Biedenkopf feiert in Dresden ihren siebzigsten Geburtstag
Ihr Mann, Sachsens Ministerpräsident, nutzt den Termin zu einer Verteidigungsrede in eigener Sache
DRESDEN, 8. April. Die Szene war voller Symbolik: Gerade nahm Ingrid Biedenkopf einen Blumenstrauß entgegen, da klirrte es. Ein Kameramann des ZDF hatte beim Rückwärtsgehen einem Kellner das Tablett aus der Hand geschlagen, woraufhin mit Sekt und Orangensaft gefüllte Gläser auf dem Boden zerbrachen. Die Umstehenden sprangen zurück, um keine Spritzer abzubekommen. Alle Aufmerksamkeit richtete sich auf das Malheur, das der Mann mit der Kamera angerichtet hatte.
Es blieb der einzige Zwischenfall auf Ingrid Biedenkopfs Geburtstagsfeier am Sonntag in einem Dresdner Hotel. Siebzig Jahre alt wurde die Ehefrau des sächsischen Regierungschefs, mehr als 200 Minister, Staatssekretäre, Unternehmer, Künstler, Verwandte und Freunde waren gekommen, um zu feiern. Doch gelöst war die Stimmung nicht, auch Ehemann Kurts Lächeln wirkte noch gequälter als ohnehin schon. Schuld war nicht die Ungeschicklichkeit des Kameramanns, vielmehr hatte eine Reihe von Medienberichten in den letzten Wochen dem Ministerpräsidenten und seiner Frau zugesetzt.
In diesen Berichten ging es um die Frage, ob die Biedenkopfs private und dienstliche Belange so streng voneinander trennen, wie Recht und Moral es vorschreiben. So wird der Ehefrau des Ministerpräsidenten vorgeworfen, sie verschwende in ihrem Bürgerbüro jährlich fast eine Viertelmillion Mark an Steuergeld. Und vergangene Woche enthüllte die sächsische Presse, dass die Biedenkopfs seit Jahren für ihre 155 Quadratmeter große Wohnung in einem Gästehaus der Staatsregierung auf dem Weißen Hirsch gerade mal 1 857 Mark Warmmiete zahlen, was deutlich unter dem ortsüblichen Mietzins liege. Im Preis enthalten seien zudem die Dienste eines Kochs und einer Putzfrau, die nicht nur die Gäste der Staatsregierung, sondern auch das Ehepaar Biedenkopf zu betreuen hätten. Ob einige Brötchen, die der Koch für die Biedenkopfs schmiert, auch aus dem Landeshaushalt bezahlt werden, soll der Rechnungshof prüfen.
Kurt Biedenkopf reagierte darauf erst gar nicht und dann beleidigt. Es mache ihn traurig, dass man ihm unterstelle, Privilegien zu genießen, schließlich habe er mit 35 Prozent vom Gehalt eines West-Ministerpräsidenten angefangen, heute verdiene er 87 Prozent. Rechtzeitig zum Wochenende drohte sein Sprecher Michael Sagurna via "Focus" gar mit Biedenkopfs Rücktritt, falls weitere Interna über die Mietkonditionen bekannt gemacht werden. "Hier wollen es einige offenbar so weit treiben, dass er irgendwann sagt: Macht euren Dreck alleene", zitiert ihn das Magazin.
Vor diesem Hintergrund überraschte es niemanden, dass der Festsaal im Hotel erstaunlich karg geschmückt war: Zwei Grünpflanzen links und rechts der Bühne, auf den Tischen schlichte Blumengestecke neben einem verlorenen Häppchen-Teller - das war’s. Es schien, als habe man demonstrativ auf Pomp und Pracht verzichten wollen, um den Medien keine neue Angriffsfläche zu bieten. Auch Kurt Biedenkopf hatte sich gründlich vorbereitet. Er strafte die Journalisten mit Missachtung, und seine Geburtstagsansprache geriet zu einer Verteidigungsrede, mit der er die Vorwürfe gegen sich und seine Frau zurückwies. Kernpunkt seiner Rede war die These, dass es für einen Ministerpräsidenten keine Trennung zwischen Privatem und Dienstlichem geben könne. Auch die Geburtstagsfeier seiner Frau sei ein Beispiel für das Nebeneinander von Persönlichem und Öffentlichem, sagte Biedenkopf. Dann blickte er zurück auf die Anfangsjahre, als er mit seiner Frau noch nicht allein im Gästehaus der Staatsregierung gewohnt hatte. Das großzügige Anwesen auf dem Weißen Hirsch sei ab 1990 viele Jahre lang Unterkunft gewesen für Minister und Staatssekretäre, die nach Sachsen gekommen seien, um unter persönlichen Entbehrungen den Aufbau des Freistaates in die Hand zu nehmen.
Seine Frau habe sich von Beginn an für Menschen eingesetzt, die Hilfe brauchten, betonte Biedenkopf, tausende Sachsen hätten sich an sie gewandt. Dass für ein solches Ehrenamt öffentliche Mittel eingesetzt würden, sei unumgänglich.
Lobende Worte fand auch Sozialstaatssekretär Alwin Nees für die Jubilarin. Als Dank für ihr Engagement überreichte er ihr eine dicke Festschrift mit dem Titel "Die Landesmutter". Das Buch, kündigte er an, werde bald auch in die Buchläden kommen. Für die nächste Zeit wünsche er Frau Biedenkopf aber vor allem eins: "Gute Nerven."
(von Andreas Förster)