Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung Online, 01.06.2001

Wenn sich am Wahltag der Daumen senkt

Was für Dresdens OB-Kandidaten am 10. Juni alles auf dem Spiel steht
 
DRESDEN. Was haben Herbert Wagner und Ingolf Roßberg gemeinsam? Beide sind felsenfest überzeugt, die OB-Wahl zu gewinnen. Was aber, wenn sich der Daumen nach unten senkt? Wer hat wieviel zu verlieren?

"Lassen Sie sich doch vom künftigen OB mal einen Kaffee spendieren", sagt Ingolf Roßberg zu seinem Gegenüber. Der Kandidat einer Bürgerinitiative ist die Siegeszuversicht in Person. Seine "Roßberg kann`s"-Plakate ziert seit vergangener Nacht ein neuer Spruch: "Roßberg wird`s!"

Nicht minder optimistisch gibt sich Amtsinhaber Herbert Wagner (CDU). Auf die Frage, was er zu tun gedenke, falls er die Wahl nicht gewinnt, reagiert er verwundert bis empört: "Daran verschwende ich überhaupt keinen Gedanken."

Einer freilich muss der Verlierer sein. Und die Entscheidung wird knapp (siehe SZ-Umfrage von gestern). Am meisten dürfte für Herbert Wagner auf dem Spiel stehen. Der Informations-Elektroniker würde mit seiner Abwahl arbeitslos. Am Hungertuch bräuchte er deshalb aber nicht zu nagen. Zwar verdient Gattin Pia als Hausfrau nicht mit. Doch nach elf Jahren an der Rathausspitze steht Wagner eine lebenslange Pension zu: 35 Prozent seines letzten Grundgehalts und damit knapp 4 800 Mark brutto im Monat. Alle Nebeneinkünfte aus Aufsichtsrats-Arbeit (maximal 9 600 Mark brutto im Jahr) fielen weg. Wagner müsste die Posten abtreten.

Herausforderer Roßberg steht da auf der sichereren Seite. Fällt er am 10. Juni durch, gibt er seine Wohnung in Dresden wieder auf und geht nach Wuppertal zurück. Er ist dort bis Sommer 2008 als Dezernent für Stadtentwicklung gewählt, bekommt Westgehalt und dadurch fast genausoviel wie Dresdens OB - rund 13 200 Mark brutto im Monat plus Zuschläge für Familie und Funktionen. Allerdings droht Roßberg in Wuppertal die Abwahl. CDU und FDP sehen das Vertrauen zu ihrem Dezernenten gestört und wollen mit SPD-Hilfe die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit für seinen Rausschmiss zusammenbekommen. "Abwarten", sagt Ernst-Andreas Ziegler, Stadt-Sprecher von Wuppertal. "Nichts wird so heiß gegessen wie gekocht." Selbst nach einer Abwahl müsste Wuppertal Roßberg weiter bezahlen.

Die anderen beiden Kandidaten Friederike Beier und Ronald Galle wissen, dass sie wenig Chancen auf den OB-Stuhl haben.
Büso-Mann Galle nimmt`s gelassen: "Ich nutze die Wahl, um unsere Ziele bekannt zu machen", sagt er. Danach gehe sein Leben unverändert weiter.
Nicht so bei Ärztin Beier. "Für mich ist die Wahl in jedem Fall ein Gewinn", sagt sie. "Ich habe noch mehr Lust am konstruktiven Mitgestalten, die ich dann auf anderer Ebene ausleben kann." Vorwürfe, dass sie Roßberg nur Stimmen nehme und damit die Abwahl Wagners verhindere, weist die 57-Jährige zurück. "Wer mich wählt, mag weder Roßberg noch Wagner und würde sonst überhaupt nicht an die Urne gehen", meint sie. Nur eine spannende Frage lässt Beier noch offen: Ob sie bei einem zweiten Wahlgang für einen der "Großen" zurücktritt.
(Katrin Saft)

Karl Nolle im Webseitentest
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