Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 31.05.2001

Wagner vorn, Endspurt entscheidet

Jeder Vierte noch unsicher / Opposition konnte ihre Anhänger bislang nicht ausreichend mobilisieren
 
DRESDEN. Amtsinhaber Herbert Wagner (CDU) geht am 10. Juni als Favorit in die Oberbürgermeisterwahl. Ein zweiter Wahlgang aber ist nicht ausgeschlossen.

Mit acht Prozentpunkten Vorsprung kann der seit elf Jahren in Dresden regierende Herbert Wagner der Oberbürgermeisterwahl ruhig entgegensehen (Grafik). Die Analyse der von der Sächsischen Zeitung beim Leipziger Institut für Marktforschung in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage unter 806 wahlberechtigten Dresdnern zeigt jedoch manche Unwägbarkeit.

Wer liegt bei wem vorn?

Die größte Resonanz findet Herbert Wagner bei den über 50-Jährigen. In dieser Altersgruppe sprechen sich 55 Prozent für eine dritte siebenjährige Amtszeit des gebürtigen Neustrelitzers aus. Vom mittleren Alter zwischen 30 und 49 Jahren votieren nur 42 Prozent für den CDU-Politiker. Das ist auch die einzige Altersgruppe. in der Herausforderer Ingolf Roßberg (46 Prozent) vor dem Amtsinhaber liegt. Bei den 18- bis 29-Jährigen wiederum schneidet Roßberg mit lediglich 39 Prozent schlecht ab, während Wagner 46 Prozent einfährt und die als Einzelkandidatin antretende Ärztin Friederike Beier auf erstaunliche dreizehn Prozent kommt.

Weitere Ergebnisse: Wagners Zuspruch ist bei Frauen (50 Prozent) größer als bei Männern (47 Prozent). Bei Roßberg verhält es sich genau anders: 44 Prozent der Männer wollen ihn als OB, aber nur 39 Prozent der Frauen. Schwach sieht Herbert Wagner bei den Arbeitslosen aus (38 Prozent). Unter seinem Durchschnittswert liegt Wagner auch bei den Dresdnern mit Abitur bzw. mit Fach- oder Hochschulabschluss (42 Prozent), während Roßberg hier auf 47 Prozent kommt.
Entscheidend für den Ausgang der Wahl werden jedoch nicht diese Unterschiede sein. Ob Wagner seinen Vorsprung halten kann oder einbüßt, hängt vom Vermögen der Oppositionsparteien ab, ihre Anhänger in den verbleibenden zehn Tagen für den gemeinsamen Herausforderer Roßberg besser als bisher zu mobilisieren.

Was zählen die Parteien?

Herbert Wagners Chancen stünden schlecht, wenn er lediglich mit den Stimmen der CDU-Anhänger rechnen könnte. Das sind nur 44 Prozent jener Dresdner, die zur Wahl gehen wollen. Es folgen SPD (25 Prozent), PDS (15), Bündnisgrüne (acht) und FDP (fünf Prozent). Würden deren Sympathisanten alle Roßberg wählen, wäre ihm der Sieg nicht zu nehmen. Das aber ist alles graue Theorie, wie die Analyse zeigt.

Wagner liegt vorn, weil ihn 87 Prozent der CDU-Sympathisanten, aber auch 33 Prozent der SPD- und 24 Prozent der FDP-Anhänger wählen. Selbst bei den bündnisgrünen Freunden kommt der CDU-Mann auf zwölf und bei den PDS-Anhängern immer noch auf acht Prozent. So liegt er am Ende deutlich über dem Sympathiewert seiner Partei.

Anders liegen die Dinge bei FDP-Mitglied Ingolf Roßberg. Selbst die PDS, die sich am stärksten für den Wechsel im Dresdner Rathaus engagiert, hat es bei ihren Anhängern schwer: Nur 74 Prozent entscheiden sich bislang für den Herausforderer. Auch bei den FDP-Anhängern holt Roßberg lediglich zwei von drei Stimmen ab, bei den Sympathisanten von SPD und Bündnisgrünen sogar etwas weniger als 60 Prozent.

Hier liegt die erste Unwägbarkeit für Herbert Wagner. Denn fast jeder Vierte bezeichnet seine bisher getroffene Wahlentscheidung als "eher noch unsicher" (Grafik). Die zweite Unwägbarkeit liegt in der Wahlbeteiligung.

Gehen Sie wählen?

Die CDU liegt auch hier vorn. Immerhin 74 Prozent ihrer Sympathisanten wollen "ganz sicher" zur Wahl gehen. Nur 69 Prozent sind das bei den Anhängern der PDS, 67 bei denen der SPD und gar nur 58 Prozent bei denen der FDP. Auch hier gilt die Feststellung, dass die hinter Ingolf Roßberg stehenden Parteien ihre Anhänger bislang weit weniger motivieren konnten als die CDU. Insgesamt antworteten auf die Frage, ob sie wählen gehen, 68 Prozent der Dresdner "ja, ganz sicher", 15 Prozent "ja, wahrscheinlich", zwei Prozent "eher nicht", neun Prozent "bestimmt nicht" und fünf Prozent "weiß noch nicht". Käme es so, wäre das ein gutes Zeichen für das Demokratieverständnis der Dresdner. Die Meinungsforscher haben jedoch schon oft festgestellt, dass sich viele Leute nicht gern als Wahlverweigerer zu erkennen geben. Die tatsächliche Beteiligung dürfte also am 10. Juni weit unter den Umfrageergebnissen liegen. Als häufigste Gründe für Nichtteilnahme werden genannt: "Ich finde keinen der vier Kandidaten gut" (28 Prozent), "Ich habe die Nase voll von Politik" (27 Prozent), "Es ist egal, wer in Dresden Oberbürgermeister wird, so viel kann der auch nicht entscheiden" (18 Prozent).

Was bewirken Außenseiter?

Die parteilose Einzelkandidatin Friederike Beier und der Büso-Kandidat Ronald Galle wussten von vornherein um ihre Chancenlosigkeit beim Kampf um den OB-Sessel. Die Umfrage bestätigt das (Grafik). Aber am Ende könnte vor allem die 57-jährige Ärztin Friederike Beier so etwas wie ein Zünglein an der Waage werden. Sie schlägt sich mit einem Stimmenanteil von insgesamt neun Prozent bisher erstaunlich gut. Und regelrecht bemerkenswert ist, dass sie bislang 15 Prozent der Stimmen von PDS-Anhängern und sogar 26 Prozent der bündnisgrünen Sympathisanten auf sich vereinigt.
Das wird Herbert Wagner freuen, denn diese Stimmen fehlen am Ende seinem eigentlichen Herausforderer.
Zugleich liegt hier eine dritte Unwägbarkeit für den Amtsinhaber, falls die Beier-Wähler doch noch umschwenken, damit ihre Stimmen nicht unter den Tisch fallen.

Bedauern wegen Berghofer?

Das Kapitel Wolfgang Berghofer ist für die Dresdner abgeschlossen. Zeigte die Novemberumfrage für ihn durchaus eine reelle Chance als Wagner-Herausforderer, so bedauern jetzt nur 22 Prozent der Dresdner seinen Verzicht auf die Kandidatur; bei den über 50-Jährigen sind das 27 und bei den der PDS nahe stehenden Wählern 39 Prozent.
(Jörg Marschner)

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: