Sächsische Zeitung, 09.06.2001
Freibier für die Wähler
Unsachlicher Endspurt auf Kundgebungen / Am Sonntagabend wird gefeiert
DRESDEN. OB Herbert Wagner (CDU) hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber Herausforderer Ingolf Roßberg (Bürgerinitiative). Er kann sich selber wählen. Am Sonntag 11.30 Uhr wird er mit Ehefrau Pia in seinem Stamm-Wahllokal auf der Quohrener Straße erwartet. Roßberg dagegen muss zuschauen. Er ist erst zwei Monate in Dresden gemeldet - einen zu wenig, um abzustimmen.
Insgesamt sind am 10. Juni über 387 000 Elbestädter an die Wahlurnen gerufen. Würden sich alle Frauen für die einzige weibliche Bewerberin Friederike Beier entscheiden, wäre das Ergebnis klar. Denn auf 100 Männer kommen 112 Frauen.
Über 27 000 Dresdner (rund sieben Prozent) gaben ihre Stimme bereits per Brief ab. Das sind mehr als bei der vorigen OB-Wahl. "Trotzdem wagen wir nicht, daraus eine Prognose für die Wahlbeteiligung abzuleiten", sagt Wahl-Chef Wolf-Dieter Müller. 1994 lag sie bei 67 Prozent. Diesmal wird befürchtet, dass sie wesentlich geringer ausfällt.
Müller trifft jetzt noch die letzten Vorbereitungen, damit am Sonntag alles reibungslos läuft. 2 400 Wahlhelfer stehen ihm in den 334 Wahlbezirken zur Seite. Für Pannen wie verbummelte Benachrichtigungskarten und vergessene Wahllokalitäten gibt es das Not-Telefon 4 88 11 20 (Sa. 8-16, So. 8-18 Uhr).
Ab 18 Uhr können die Dresdner in den Wahllokalen die Auszählung der Stimmen verfolgen. Die Ergebnisse werden telefonisch an 30 Schnell-Melder im Rathaus durchgegeben und dann sofort auf einer großen Leinwand im Plenarsaal präsentiert. "Ab 18.30 Uhr rechnen wir mit den ersten Prozent-Angaben", sagt Müller. Sie seien auch im Internet unter www.dresden.de abrufbar. Radio Dresden sendet alle 15 Minuten live aus dem Rathaus.
Während Roßberg nach Wahllokal-Schluss mit seiner Frau gemütlich Essen geht, will Wagner sich mit den ersten Prognosen im Plenarsaal einfinden. Eine Brauerei spendiert hier Freibier fürs Volk. Danach feiert die CDU im Fraktions-Raum weiter. "Wir haben vier Fass Bier und reichlich Sekt geordert", sagt Wahlmanager Dietmar Haßler. Die Bürgerinitiative, die Roßberg nominierte, rechnet in ihrem Büro auf der Maxstraße mit 200 bis 250 Gästen - darunter Vertreter aller unterstützenden Parteien. 72 Flaschen Sekt, 250 Liter Bier und Dutzende Salzbrezeln stehen für sie bereit. Die PDS lädt ihre Anhänger zur eigenen Wahlparty ins Haus der Begegnung ein. OB-Kandidatin Friederike Beier liebt's unkonventionell und grillt mit Helfern in ihrem Garten.
Am Freitag rührten alle Bewerber letztmals die Werbetrommel. Bei Wagner und Roßberg ging es zum Teil recht unsachlich zu. Junge Union und Jusos versuchten, die jeweilige Veranstaltung der Gegenseite zu stören. Der angeschlagene Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) vergriff sich im Ton, bezeichnete Roßberg als "Schrott aus Wuppertal" und stellte ihn in die PDS-Ecke. PDS-Bundestagsabgeordnete Christine Ostrowski wiederum schenkte Roßberg demonstrativ einen Besen zum Auskehren des Rathauses, einen neuen Stie(h)l und Anti-Mücken-Creme. FDP/DSU-Chef Jan Mücke hatte sich demonstrativ neben Herbert Wagner auf der Bühne präsentiert.
(Katrin Saft)