DNN, 12.06.2001
Das Stadtzentrum ist in Roßbergs Hand
Herausforderer erobert in der ersten Runde des OB-Duells 42 von 60 Stadtteilen für sich
DRESDEN. Dresden hat gewählt, aber noch nicht entschieden. Wer künftig auf dem OB-Sessel sitzen darf, bleibt bis zur Neuwahl am 24. Juni offen. Und bis dahin bleiben auch die Wahlplakate weiter hängen. Doch die besten Startplätze für das Entscheidungsrennen sind seit Sonntag vergeben.
Überraschungs-Etappensieger Ingolf Roßberg (Bürgerinitiative "OB für Dresden") startet mit gut vier Prozent Vorsprung vor OB Wagner in der Pole Position. Regelrecht "abgeräumt" hat der FDP-Politiker im ersten Wahlgang: In 42 von 60 Stadtteilen hat er die erste Runde im OB-Duell klar für sich entschieden (siehe Grafik). Das ganze Stadtzentrum liegt in Roßbergs Hand. In 13 Stadtteilen übersprang Roßberg in diesem ersten Anlauf aufs Rathaus glatt die 50-Prozent-Hürde - Amtsinhaber Wagner gelang dies nur in sechs Stadtteilen.
Auch den Spitzenwert dieser Wahl von 64 Prozent fuhr der Dresdner Roßberg ein - in der Äußeren Neustadt/Albertstadt, einem der bevölkerungsreichsten Stadtteile. Dort rutschte Wagner auf magere 22 Prozent - dicht gefolgt von Wahl-Debütantin Friederike Beier mit ihrem Spitzenwert von 13 Prozent.
8000 Stimmen Abstand
In Stimmen gerechnet hört sich der der Abstand zwischen Roßberg und Wagner mit knapp 8000 Wählern nicht ganz so groß an. Hinter dem Namen Wagners machten 78717 Dresdner auf dem Wahlschein ihr Kreuzchen, bei Roßberg 86501. Beier erreichte mit 15940 Stimmen (8,67 Prozent) einen "nicht erwarteten Achtungserfolg", wie die sogar sonst eher zurückhaltende Kommunale Statistikstelle in ihrer ersten Wahlanalyse anerkennend zusammenfasste.
Doch, wo der Amtsinhaber die ihm fehlenden Stimmen in den nächsten vierzehn Tagen Roßberg abjagen will, ist fraglich. Seine eigenen Anhänger will er stärker mobilisieren, hat er bereits am Wahlabend angekündigt. Doch gerade seine Stammwähler in Bühlau, auf dem Weißen Hirsch, in Pappritz oder Weißig lagen am Sonntag keineswegs auf der faulen Haut. Ganz im Gegenteil: Im Osten der Stadt, vor allem in den Neubaugebieten wurde sogar die höchste Wahlbeteiligung verzeichnet.
Auch in den klassischen CDU-Beamtensiedlungen Pappritz, Langebrück und Weixdorf kletterte die Wahlbeteiligung weit über den Durchschnitt von 48 Prozent. Aber auch dort kam Wagner nicht an die Spitzenwerte seines Herausforderers in dessen Hochburgen heran. 57,5 Prozent für Wagner in Weixdorf, aber Roßberg und Beier bilden zusammengerechnet selbst dort ein erstaunlich starkes Gegengewicht mit mehr als 40 Prozent.
Einbrüche am Elbhang
Gewählt haben sie also auch in den CDU-Hochburgen, aber offensichtlich vielfach nicht wie von der Partei erwartet. In Loschwitz/Wachwitz etwa ließ Roßberg mit fast 49 Prozent Amtsinhaber Wagner mit 42 Prozent weit hinter sich. Gegenüber der Stadtratswahl von 1999 büßte die CDU hier rund fünf Prozent ein. Und offenbar wurde OB Wagner auch sein Verhalten im Niederpoyritzer Schulstreit nicht vergessen: Dort knackte Roßberg auf Anhieb die 50-Prozent-Marke. Erdrutsch für die CDU: Wagner büßte dort im Vergleich zu 1999 fast neun Prozent ein. Von den Elbhangdörfern östlich von Wachwitz, in Plauen und in der Südvorstadt setzte sich Roßberg an die Spitze. Selbst im eher gediegenen Blasewitz liegen Wagner und Roßberg mit etwa 45 Prozent fast gleich auf. Auch Striesen und Gruna sind fest in Roßberg-Hand.
Äußerst bedenklich: Die Wahlbeteiligung erreichte bei dieser OB-Wahl den tiefsten Stand seit 1990. Nur die zweite Runde bei den OB-Wahlen 1994 lag mit knapp über 50 Prozent ähnlich niedrig. Ganz offensichtlich gelang es jedoch den Oppositionsparteien diesmal mit ihrem Gemeinschaftskandidaten Roßberg besser, ihre Kräfte voll zu mobilisieren und zu bündeln, so dass nach elf Jahren CDU der Wechsel im Dresdner Rathaus in greifbare Nähe rückt. Absolutes Schlusslicht in puncto Wahlbeteiligung: In Friedrichstadt trat nicht einmal jeder Dritte an die Wahlurne. Doch auch hier beweist das Ergebnis, dass der Wahlkampf-Slogan der PDS "Wer nicht wählt, wählt Wagner" in gewisser Weise nicht aufging. Von der geringen Beteiligung profitierte Roßberg. Er verfehlte nur äußerst knapp die 50 Prozent, Beier erreichte beachtliche 10,5 Prozent - Wagner hatte auch hier mit 38 Prozent das Nachsehen.
Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in den Plattenbaugebieten Gorbitz und Prohlis. Die Bewohner der klassischen PDS-Hochburgen wählten zwar nicht zahlreich, aber deutlich für Roßberg. Mit fast 45 Prozent eroberte der Herausforderer Prohlis, mit fast 50 Prozent Gorbitz. In Löbtau verpasste Roßberg nur knapp die 50 Prozent. Deutliche Sympathien konnte dort auch Friederike Beier verbuchen: im Schnitt etwa zehn Prozent für sie im ersten Anlauf.
(Annette Binninger)