DNN, 15.06.2001
Wenn Herbert Wagner auf den Tisch haut
Kämpferisch: Der OB legt im Stadtrat seinen Rechenschaftsbericht vor
DRESDEN. Oberbürgermeister Herbert Wagner (CDU) mag in der Regel nicht auf den Tisch hauen. Der Quark, den man dabei trifft, könne einen auch selbst bespritzen, hat er jüngst mal gesagt. Gestern im Stadtrat hat er zugehauen, mit den Handkanten auf das hölzerne Rednerpult vorne im Plenarsaal. Dort, wo am Wahlsonntag Bildschirme standen und seinen Rückstand gegenüber Roßberg anzeigten, ging er in die Attacke. Er musste: Die Opposition hatte einen Rechenschaftschaftsbericht über seine auslaufende Amtszeit beantragt. "Das ist eine Vorlage für uns", war zuvor aus der CDU-Fraktion zu hören
Die Vorlage nutzte der OB, indem er große Teile seiner Wahlkampfrede - Ansiedlung von Siemens und VW, Tourismusboom, Mieterparadies - mit beißender Kritik an der Opposition anreicherte. Von verbohrten Ideologen und romantischen Träumern, die keine Chance mehr haben sollten, sprach er, von PDS und Grünen, die immer auf der Gegenseite gestanden hätten. Seine Botschaft: "Die Schicksalsfragen der Stadt kamen nur dann zu einem guten Ende, wenn sich das bürgerliche Lager durchsetzte."
Die Gegenseite konterte mit einem Lob. "Das war ja eine kämpferische Rede, kann man nicht anders sagen", meinte PDS-Fraktionschef Ronald Weckesser. Inhaltlich aber waren die Worte des OB für ihn "ein Musterbeispiel von Verdrehung, Verdrängung und Realitätsverlust". Angesichts des Wahlergebnisses - der OB punktete am meisten am Stadtrand - sei Wagner nur noch der Bürgermeister der eingemeindeten Gebiete, "sozusagen ein gehobener Ortsvorsteher".
Zur Verteidigung seines Parteifreunds ging abschließend der CDU-Fraktionschef in die Bütt und holte wahlkampfmäßig noch mal gegen Roßberg aus: 73.000 Einpendler kämen täglich etwa aus Freital, Radeberg, "aber hoffentlich nicht aus Wuppertal". Michael Grötsch stand bei diesen Worten am Rednerpult vor dem OB wie dessen Abziehbild: Beide mit mittelgrauem Anzug, hellblauem Hemd, roter-weiß gestreifter Krawatte. Man müsse jetzt jüngere Leute als Dezernenten in Position bringen, um in sieben Jahren einen OB-Kandidaten zu haben, hat Grötsch manches Mal geäußert. Jetzt will genau er Dezernent werden. Auf die DNN-Frage, ob das die erste Empfehlungsrede für 2008 war, sagte er nichts, errötete nur leicht und grinste.
(Stefan Alberti)