Sächsische Zeitung, 26.06.2001
46 von 60 Wahlkreisen entscheiden für Roßberg
Herbert Wagner hat fast überall Prozente verloren / CDU-Konzept ging nicht auf
DRESDEN. Die Dresdner bleiben bei ihrer Meinung: So brachte die zweite Wahlrunde kaum Überraschungen. Mit sieben Prozent Vorsprung wurde Ingolf Roßberg neuer OB. Für wen auch immer Wolfgang Berghofer ins Rennen ging, sein Einsatz lohnte sich nicht.
Katerstimmung gestern bei der CDU. Nachmittags saß die Fraktion zusammen, am Abend der Kreisvorstand. "Wir haben einen sehr engagierten Wahlkampf geführt", sagt CDU-Kreisvorsitzender Dieter Reinfried. Gravierende Fehler kann er nicht erkennen. Deshalb sei die Forderung nach einem Rücktritt des Kreisvorstandes auch kein Thema.
Die CDU hatte versucht, Nichtwähler zu mobilisieren. Doch die Wahlbeteiligung betrug 48,7 Prozent - kaum mehr als vor 14 Tagen. In CDU-Hochburgen wie Loschwitz und Schönfeld sank sie sogar noch. Und gegenüber dem 10. Juni verlor Amtsinhaber Herbert Wagner (CDU) sogar noch 2,8 Prozentpunkte. Über drei Prozentpunkte Zuwachs bei der Wahlbeteiligung gab es nur in der Inneren Altstadt, doch dort errang Roßberg mit 58,45 Prozent die absolute Mehrheit.
Auch die CDU-Hoffnung, dass Wolfgang Berghofer mit seiner Kandidatur vor allem Roßberg schade, schlug fehl. Das Taktieren des letzten SED-Bürgermeisters quittierten die Dresdner mit dem mageren Wahlergebnis von 12,2 Prozent. "Etwa 4 000 Stimmen dürfte er von vormals Wagner-Wählern erhalten und weitere 4 000 Nichtwähler mobilisiert haben", schätzt Christian Eichner von der kommunalen Statistikstelle ein. Büso-Kandidat Ronald Galle erhielt etwa 0,8 Prozent, 1,5 Prozent waren es zuvor.
"Wir erkannten die Wechselwählerstimmung nicht", sagt CDU-Fraktionschef Michael Grötsch. Warum sich die Dresdner mit so deutlicher Mehrheit für den Gegenkandidaten entschieden haben, bleibt ihm unklar. "Am Programm kann es nicht liegen, denn Roßberg hat kein schlüssiges Konzept", sagt er. "Doch der Wahlkampf ist vorbei. Jetzt gilt es auf die sachliche Ebene zurückzukehren. Auch wenn wir jetzt unten sind, müssen wir in die Zukunft schauen", fordert Grötsch seine Parteifreunde auf.
Friederike Beier, die am 10. Juni 8,67 Prozent der Wählerstimmen erhielt, unterstützte diesmal Roßberg. Das zahlte sich deutlich in der Äußeren Neustadt aus. Roßberg erhielt dort mit 72,94 Prozent sein bestes Ergebnis.
Insgesamt hat sich an den Hochburgen nichts verändert. Roßberg-Unterstützer sind neben der Neustadt im Stadtzentrum und Striesen-Ost zu Hause, während die Bewohner in den neuen Ortschaften, Bühlau und Hellerau eher Wagner die Treue halten. Mit Ausnahme von Weixdorf und Pieschen-Süd verlor Herbert Wagner überall. In der Äußeren Neustadt kam er nicht einmal auf 20 Prozent. Das Duell zwischen Amtsinhaber und Herausforderer entschied Roßberg jetzt sogar in 46 der 60 Stadtteile für sich, ein Gewinn von vier Stadtteilen.
(Bettina Klemm)