Dresdner Morgenpost, 03.07.2001
Dresdens neuer OB zieht um
Ingolf Roßberg auf dem Sprung von Wuppertal nach Dresden
DRESDEN. Roßberg zieht's – von Wuppertal nach Dresden. Der neue OB in Elbflorenz ist auf dem Sprung. Am 1. August um 8.30 Uhr wird Herbert Wagner seinem Nachfolger die Amtskette um den Hals legen. Bis dahin heißt es Abschied nehmen von der 380 000-Einwohner-Stadt am Rande des Ruhrpotts. Die Morgenpost besuchte Familie Roßberg gestern in Wuppertal und begleitete den künftigen OB an seine alte Arbeitsstätte.
„Ich bräuchte einfach mal zwei Tage Schlaf." Wenn man Ingolf Roßberg am Frühstückstisch sitzen sieht, glaubt man es ihm sofort. Die Augenringe kann der starke Kaffee um 7.30 Uhr nicht vertreiben. Erst gegen Mitternacht war er in der Nacht aus Dresden gekommen. „So wird das jetzt jedes Wochenende sein. Freitag hin, Sonntag zurück", erzählt der 40-Jährige. Doch lachen kann er trotzdem noch. Vor allem, wenn die kleine Annkathrin (3) lautstark durch die große Küche jagt. Seit gut einem Jahr wohnen die fünf Roßbergs in der Eigentumswohnung (130 qm; rund 300 000 Mark) mit Blick auf den Stadtteil Wuppertal-Elberfeld.
Noch sind die Koffer für den Umzug zwar nicht gepackt, doch der Abschied in die Heimatstadt Dresden ist in der Familie natürlich Thema Nummer 1. „Die Küche ist schon zwei Mal umgezogen, die bleibt jetzt hier", sagt Dresdens neue „First-Lady" Astrid-Birgit (38), auch wenn ihr Zuhause wenig mit dem Luxus des Weißen Hauses gemein hat.
Alles ist einfach und gemütlich, und wo drei Kinder toben, da liegt das Spielzeug natürlich überall herum. Tochter Stephanie (12) verabschiedet sich noch diese Woche von ihren Klassenkameraden: „Eigentlich war die Schule schön. Außer dass wir samstags Unterricht hatten." Davon bleibt das aufgeweckte Mädchen in Sachsen zum Glück verschont. Papas Wahlsieg hat halt auch so sein Gutes. „Wir suchen zurzeit eine passende Wohnung", sagt Frau Roßberg. „Am liebsten wäre uns Plauen, dort haben wir noch sehr viele Bekannte." Dort steht auch die Auferstehungskirche, Roßbergs Heimatgemeinde, dort hat schon sein Großvater gelebt.
Typisch für ihn: Zwar ist die Wohnung noch nicht gemietet, schon steht aber der genaue Zeitplan für den Umzug. „Am 25. Juli wird der Rest gepackt, am 26. der Lkw beladen, am 27. wird gefahren, am 28. wird ausgepackt." In Dresden hofft Roßberg dann auf 30 fleißige Helfer: „Ich habe schon mal bei der Bürgerinitiative OB-für-Dresden nachgefragt."
Das kleinste Zimmer in der Wuppertaler Wohnung ist Roßbergs Reich. Hier kramt er die Unterlagen für seine letzte Stadtratssitzung als Beigeordneter für Stadtentwicklung und Bau zusammen. In nur sechs Minuten fährt er mit der S-Bahn zum Rathaus. Dort wartet seine Sekretärin Dorit Heinrichs (55) mit dem nächsten Kaffee und einem Stapel Papier. „Wir haben mit ihm mitgefiebert", freut sie sich, dass ihr Chef jetzt OB ist. „Egal wie groß der Stress ist, er bleibt immer freundlich." Und wie jede gute Sekretärin weiß sie auch, wie sie Roßberg glücklich machen kann: „Mit Schweinsöhrchen vom Bäcker."
Doch trotz aller Dresden-Euphorie die tägliche Arbeit bleibt. Erst kurze Bürobesprechung, dann ab zum Wuppertaler OB (siehe Interview), dann vor die örtlichen Journalisten. „Roßberg ist ein solches Arbeitstier. Trotz aller politischen Querelen sind die meisten traurig, dass ergeht", erzählt die Redakteurin einer Wochenzeitung. Und tatsächlich referiert Roßberg so selbstverständlich über Wuppertaler Probleme, als hätte er nicht ein, sondern zehn Jahre in der Stadt gelebt.
Bei der Ratssitzung am Nachmittag herrscht dichtes Gedränge. Gleich zu Anfang der Sitzung gibt's Glückwünsche für den Wahlsieg in Dresden. Doch der Applaus hält sich in Grenzen. Noch
immer sind viele der Abgeordneten sauer, dass Roßberg nach nur einem Jahr wieder gen Osten zieht. FDP-Chef Rolf Köster sieht's gelassen: „Ich gratuliere den Dresdnern, sie bekommen einen fleißigen OB."
Doch was bleibt von der Zeit in Wuppertal, wenn Roßberg in Dresden regiert? „Viele gute Bekanntschaften. Ich habe eine tolle Stadtverwaltung kennen gelernt. Und ich hatte mit OB Kremendahl meinen bisher besten Chef." Nur noch ein Umzug über 580 Kilometer, dann ist er selbst Chef ...
(Kai Schulz)