Karl Nolle, MdL

Neues Deutschland, 08.01.2001

Phantom lässt designierte Kandidaten resignieren

Linke hofft für Rathaus nur noch auf Berghofer
 
DRESDEN. Nachdem die Kandidaten von SPD und PDS für das Amt des Dresdner Oberbürgermeisters auf ihre Bewerbungen verzichteten, ist Wolfgang Berghofer die letzte Alternative zum amtierenden CDU-Rathauschef.

Er verfüge „über ein großes politisches Talent, eine klare Ausdrucksweise und die Fähigkeit, die wichtigsten Gesichtspunkte eines Arguments einleuchtend und überzeugend zusammenzufassen“. Der Satz wurde am 5. März 1990 über Wolfgang Berghofer geschrieben, damals seit knapp vier Jahren Oberbürgermeister von Dresden. Autor des Lobpreises ist Kurt Biedenkopf, inzwischen sächsischer Ministerpräsident – ein Amt, auf das auch Berghofer damals Ambitionen nachtgesagt wurden. Er sei ihm „persönlich sympathisch“, schreibt Biedenkopf weiter über den damaligen Rathauschef und fügt schließlich hinzu: „Ich denke, dass wir noch viel miteinander zu tun haben werden.“
Zehn Jahre später könnte sich der Satz als prophetisch herausstellen. Denn seit diesem Wochenende ist der letzte SED-Tathauschef einziger verbliebener Hoffnungsträger für ein Mitte-Links-Bündnis in der sächsischen Landeshauptstadt, das es sich zum Ziel gestellt hat, den am 6. Mai 1990 zum Berghofer-Nachfolger gewählten Herbert Wagner (CDU) an der Spitze der Stadtverwaltung abzulösen.

Am vergangenen Donnerstag hatte zunächst der designierte SPD-Kandidat Karl Nolle, Landtagsabgeordneter, Druckereibesitzer und Schröder-Intimus aus Hannoveraner Tagen, seine Bewerbung zurückgezogen. Er habe als Bündniskandidat bei PDS und Grünen „offensichtlich nicht die notwendige Unterstützung“ gefunden. Tags darauf gab auch Christine Ostrowski, PDS-Bundestagsabgeordnete und langjährige Stadtvorsitzende, ihren Verzicht auf eine Kandidatur bekannt – Voraussetzung: Das Bündnis findet einen gemeinsamen Kandidaten.
Die Ablösung Wagners bei der Wahl am 10. Juni wird nicht nur deshalb angestrebt, weil der einstige Elektroingenieur als eher blass gilt und ihm eine uneffektive Stadtverwaltung angelastet wird. Das Amt des Rathauschefs in der Landeshauptstadt gilt zudem – neben dem des Ministerpräsidenten und des Leipziger OB – als einer der drei wichtigsten politischen Posten im Freistaat. Doch die Such nach einem aussichtsreichen Alternativkandidaten stellte sich schon vor dem einseitigen Vorpreschen Nolles als problematisch heraus: von einer Wunschliste mit 20 Namen, darunter der Hamburger Ex-Bürgermeister Henning Voscherau oder die frühere brandenburgische Sozialministerin Regine Hildebrandt, blieb niemand übrig; ein ebenfalls hoch gehandelter ehemaliger Dresdner Kulturbürgermeister zog es vor, nach Dortmund zu gehen.
Ob Berghofer tatsächlich antritt, ist jedoch noch immer offen. Bislang waren nur vage Andeutungen zu hören. Trotzdem kommt der „virtuelle Kandidat“ aus dem Stand auf phantastische Umfragewerte. Mitte Dezember lag er im direkten Vergleich mit 34 Prozent Zustimmung schon vor Wagner (30 Prozent). Die befragten Dresdner bezeichneten ihn als dynamisch, bürgernah und durchsetzungsfähig. In Sachen Glaubwürdigkeit erzielte Wagner die besseren Werte. Würde Berghofer gewählt, wäre dies das erste Mal, dass ein derart hochrangiger DDR-Funktionär wieder in ein solch herausgehobenes Amt käme. Pikant ist, dass Kontrahent Wagner im Herbst 1989 zur Gruppe der 20 gehörte, die als Sprecher der Demonstranten mit der Staatsmacht verhandelten.
Die Dresdner Bündnisgrünen lehnen Berghofer, der 1992 wegen der gefälschten Kommunalwahlen 1989 zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, nach wie vor ab. Die SPD-Landesvorsitzende Konstanze Krehl dagegen vollzog nach Nolles Rückzug einen Richtungswechsel und bezeichnete Berghofer als „wählbaren Kandidaten“ – eine Ansicht, die im Dresdner Unterbezirk aber noch viele Gegner hat. PDS-Landeschef Peter Porsch bat seine Dresdner Parteifreunde, die Berghofer-Option „in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen“ zu stellen. Ob die Hoffnungen des Mitte-Links-Bündnisses auf eine andere Rathauspolitik nach der Ablösung Wagners tatsächlich aufgehen, bleibt offen. In einem der seltenen Interviews hat Berghofer angekündigt, „vor allem in Fragen der Wirtschaft und Verwaltung keine als links bezeichnete Politik“ betreiben zu wollen. Zudem haben PDS, SPD und Grüne bei der letzten Kommunalwahl ihre Stadtratsmehrheit verloren. Der Fraktionschef von FDP/DSU, Jan Mücke, kündigte umgehend eine Verweigerungspolitik an: „Dann bleibt von seinem Ruf als Macher nichts übrig.“
(Claus Dümde)

Karl Nolle im Webseitentest
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