Karl Nolle, MdL

Junge Welt, 08.01.2001

Alle mobben Kalle

Dresden: SPD, Grüne und PDS kippen OB-Kandidatur Karl Nolles
 
DRESDEN. Daß die letztmögliche Steigerung von Parteifreund nur noch im Wort Feind zu finden ist, wußte bereits Herbert Wehner, was seinen Umgang mit den innerparteilichen »Freunden« bestimmte. Als der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle sich als designierter OB-Kandidat (jW vom 13. und 16. Dezember) vor einigen Wochen im Dresdner Herbert-Wehner-Bildungswerk vorstellte, mag ihm das für alle Zeiten und Parteien geltende Wehner-Wort falsch erschienen sein. Der Stadtausschuß, ein Gremium der Ortsvorsitzenden, hatte ihn mit 15 von 18 Stimmen vornominiert. Seine Kandidatur hatte die städtischen Jusos aus ihrer Ruhephase gerissen und aktiviert.

Drei Tage bevor Nolle am Samstag von der örtlichen SPD zum Kandidaten gewählt werden sollte, warf er aber den Bettel hin. Seine offizielle Begründung lautete, er wolle der Suche nach einem gemeinsamen Kandidaten der Oppositionsfraktionen gegen den CDU-Amtsinhaber Herbert Wagner nicht im Wege stehen. Wohl aus Parteidisziplin verschwieg der für Dresden zu unkonventionelle Nolle einen Teil der Wahrheit.

Denn seine so gut gestartete Bewerbung war torpediert worden. Besonders taten sich zwei in Dresden erscheinende Tageszeitungen hervor, an denen die SPD pikanterweise jeweils vierzig Prozent hält, die regelrechte Kampagnen führten. Dabei wurden den Blättern immer wieder durch ungenannt bleiben Wollende interne Informationen zugespielt. Während sich die Parteibasis bei den Nolle-Vorstellungen positiv äußerte, gab es aus der Stadtratsfraktion wenig Rückenwind. Aber die Bündnispartner bei Grünen und PDS lehnten Nolle gänzlich ab. Meinten erstere, der SPDler sei »chancenlos« oder »abgehoben«, setzte der PDS- Führungszirkel seit längerem auf den programmlosen Wirtschaftsliberalen Wolfgang Berghofer, der bereits in den achtziger Jahren der Stadt vorstand.

War Karl Nolle inhaltlich nur wenig Paroli zu bieten, gab er mit einer Bemerkung in der Sebnitz-Debatte seinen Gegner eine Steilvorlage. Biedenkopf würde die Situation in Sebnitz, so Nolle, möglicherweise wegen seiner Familientradition in der NS-Zeit herunterspielen. Diese gelinde gesagt unglückliche Kombination zweier für sich genommen richtiger Tatbestände konnte sich das informelle Anti-Nolle-Bündnis nicht entgehen lassen. Den Anfang machte ausgerechnet die politisch blasse SPD-Landesvorsitzende Constanze Krehl, die ihrem Parteifreund vorwarf, er nehme die Familie Biedenkopf in »Sippenhaft«. Die Unterstellung von Nazimethoden blieb unwidersprochen. Statt dessen wurde es auch in der Landtagsfraktion zunehmend einsam um Nolle. In einer geschlossenen Sitzung, an der selbst Mitarbeiter nicht teilnehmen durften, soll es zugegangen sein, als sollte die Feme wieder eingeführt werden.

Zuletzt standen nur noch die Stadtvorsitzende Marlies Volkmer und die Dresdner Jusos offensiv zu ihrem Wunschkandidaten. Der umtriebige Genosse, so die Juso- Chefin Sabine Friedel im Gespräch mit jW, habe mit seiner OB-Kandidatur ihrer Organisation einen regelrechten Schub versetzt, da »sein Engagement immer auch jungen Menschen gilt«. Wie es jetzt weitergehe, würden die nächsten Tage zeigen, ein Wolfgang Berghofer aber ist für die Studentin »nicht unterstützbar«. Das könne auch bedeuten, noch einen eigenen Kandidaten aufzustellen.

Da müssen ihr die Worte ihrer Landesvorsitzenden wie politisches Harakiri vorkommen, die wenige Stunden nach dem »freiwilligen« Rücktritt Nolles per Presse verkündete, man müsse sich bei Interesse an der Ablösung des CDU-OB auch Gedanken zu Berghofer machen. Ähnlich tonnenideologisch statt inhaltlich-politisch argumentiert auch der PDS- Fraktionschef Ronald Weckesser in einem Interview: »Wozu braucht man denn ein Programm, wenn man Oberbürgermeister werden will? Das ergibt sich doch aus dem Leben: Knappe Kassen und eine konservative Mehrheit ...«

Das politische und körperliche Schwergewicht Karl Nolle hatte in bezug auf sich und den jetzigen OB Wagner von einer Wahl-»Alternative: Dick oder Doof« gesprochen. Die jetzt anstehende Auswahl zwischen Berghofer und Wagner sei, so ein PDS-Mitglied in der örtlichen Parteizeitung an seine Oberen, die Wahl zwischen Pest und Cholera.
(Anselm Kröger, Dresden)

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: