Karl Nolle, MdL

DNN, 10.04.2001

Wagner und Roßberg im Rennen um OB-Sessel fast auf gleicher Höhe

Wahlausgang zur Zeit völlig offen
 
DRESDEN. DNN-Barometer: Wahlausgang zur Zeit völlig offen/Persönlichkeit der Bewerber entscheidend.

Nichts Genaues weiß man nicht - so lässt sich am besten der Stand der Dinge zwei Monate vor der Wahl zum Dresdner Oberbürgermeister beschreiben. Dies gilt für die parteipolitischen Konstellationen wie auch für die Prognosen über den Wahlausgang. Der Katalog offener Fragen ist lang. Man weiß nicht, wer letztlich kandidieren wird. Kommt Berghofer oder kommt er nicht? Man weiß in zwei Fällen - Berghofer und Roßberg - nicht, von welchen Parteien sie eigentlich unterstützt werden oder würden. Und nach unserer neuesten Repräsentativ-Befragung im DNN-Barometer weiß man erst recht nicht, wer die Wahl gewinnen würde. Das Rennen ist noch völlig offen.


Phantomkandidat Berghofer bekannter als Roßberg

Seit unserer letzten Umfrage im Dezember des vergangenen Jahres hat OB Herbert Wagner mit dem früheren Beigeordneten Ingolf Roßberg immerhin einen offiziellen Herausforderer. Bereits knapp zwei Drittel (62 Prozent) der wahlberechtigten Dresdner wissen auf Anhieb oder auf Nachfrage ("gestützte Bekanntheit") von seiner Kandidatur. Der kurzzeitige SPD-Kandidat Karl Nolle hatte es im Dezember gerade mal auf 45 Prozent Bekanntheit geschafft.
Aber in der Bekanntheit vor ihm liegt der Kandidat, der immer noch keiner ist: Wolfgang Berghofer. Von ihm nehmen sogar 76 Prozent der Dresdner das an, was er vermutlich bis heute selbst noch nicht genau weiß: dass er gegen Wagner und Roßberg antritt. Berghofer hat damit seine Präsenz bei den Dresdnern gegenüber dem Dezember noch einmal um 15 Punkte steigern können und kommt dem amtierenden OB (von seiner Kandidatur wissen 82 Prozent) beträchtlich nahe.
Aber in der Meinung über eine mögliche Kandidatur des früheren SED-Oberbürgermeisters sind die Dresdner gespalten. Von denjenigen, die Berghofer als Kandidaten sehen, finden dies 38 Prozent gut und 41 Prozent nicht gut. Der Rest ist unentschieden. Berghofer polarisiert die Wähler. Aber auch ein nicht unbeträchtlicher Anteil derjenigen, die gegen seine Kandidatur sind, sprechen ihm gute Eigenschaften zu.

Mit der sicherlich nicht unrealistischen Unterstellung, dass sich bei den Wählern die Vorstellungen von den persönlichen Eigenschaften eines Politikers nicht binnen vier Monaten ändern, können wir die Imagewerte von Wagner und Berghofer aus dem Dezember 2000 mit den jetzt neu erhobenen Ansichten über Roßberg vergleichen. Wie wir in der DNN-Ausgabe vom 19. Dezember berichteten, sehen die Wähler Berghofer als den dynamischeren, durchsetzungsfähigeren und gewandteren, Wagner dagegen als den glaubwürdigeren und bodenständigeren Politiker. Wo reiht sich Roßberg in diesen Vergleich ein?

Zunächst bestätigt sich, was die Bekanntheitswerte schon zeigten: Roßberg weist ein ausgeprägteres Profil auf, als Karl Nolle es seinerzeit hatte. Im Durchschnitt sind es nur rund 40 Prozent, die bei keiner der sieben abgefragten Eigenschaften eine Antwort auf die Frage geben können, ob sie auf Roßberg zutreffen oder nicht. Bei Nolle waren es im Dezember im Schnitt über 60 Prozent gewesen. Roßberg hat also in dieser Hinsicht in kurzer Zeit Profil gewonnen. Noch deutlicher war aber schon im Dezember das Profil Wolfgang Berghofers. Jeweils rund drei von vier Dresdnern, die von seiner Kandidatur wussten, sprachen ihm die betreffenden Eigenschaften zu oder ab.


Deutliche personelle Alternativenzum Amtsinhaber

Im direkten Vergleich der drei Kandidaten - immer berechnet auf der Basis derjenigen, die von der Kandidatur des jeweiligen Politikers wussten - schneidet Berghofer unter dem Strich am besten ab, weil ihm die Wähler bei drei der sieben Merkmale mit Abstand am besten beurteilten: Dynamik, Durchsetzungsfähigkeit und Gewandheit.

Aber auch bei Roßberg erkennen die Wähler mehr Dynamik und ein gewandteres Auftreten als beim derzeitigen OB. Nur in den Vorstellungen von seinem sozialen Engagement und in der Bodenständigkeit fällt er deutlicher hinter Wagner und Berghofer zurück. Insgesamt ist er aber in seinem Profil Berghofer ähnlicher als Wagner. Und stellt man in Rechnung, dass sich vier von zehn Befragten noch kein rechtes Bild von Roßberg machen konnten, dann hat er eine gute Ausgangsposition, um bis zum Juni aufzuholen.

Folgt man dem Image bei den Dresdnern, dann wird es am 10. Juni mit oder ohne Berghofer auf jeden Fall auch um die Wahl zwischen sehr verschiedenen Persönlichkeiten gehen. Bei der Einschätzung von Politikern durch die Wähler sind die Eigenschaften Dynamik und Glaubwürdigkeit wie kommunizierende Röhren: Vorteile bei der einen Disziplin gehen meistens zu Lasten der anderen. Den Ausschlag wird letztlich geben, was den Dresdnern wichtiger ist.


Bei Dreikampf liegt Wagner derzeit vorn

Würden die Dresdner sich heute - und das heißt nur mit den beiden offiziellen Kandidaten Wagner und Roßberg - entscheiden müssen, hätten sie aber die Qual der Wahl. Von allen Wahlberechtigten in unserer Stichprobe könnte sich gerade einmal die Hälfte für einen der beiden entscheiden. Jeweils ein Viertel will keinem von beiden die Stimme geben oder weiß noch nicht, für wen es stimmen soll: Fünf Prozent ist die Sache egal. Und zwischen den beiden Kandidaten wäre das Rennen offen. Wagner bekäme 26 und Roßberg 23 Prozent - ein Abstand, der noch innerhalb der statistischen Fehlerspanne liegt.

Das Bild wird noch undeutlicher, wenn man den Phantomkandidaten Berghofer einbezieht. Was wäre, wenn alle drei im Juni antreten? Auch bei dieser Auswahl bleiben immer noch 41 Prozent ohne eine Entscheidung. Der Rest der Befragten teilt seine Präferenzen fast gleichmäßig unter den Dreien auf. Wagner wäre mit 23 Prozent äußerst knapp vorne. Roßberg und Berghofer liegen gleichauf mit 18 Prozent in Lauerstellung. Nach Ostern wird Wagner wissen, wer nun endlich seine Gegner sind. Aber wie immer die Entscheidung Berghofers ausfällt, auch mit Roßberg als einzigem Gegenkandidaten kann er sich aus heutiger Sicht noch nicht in Sicherheit wiegen. Entscheidend wird sein, in welche Richtung die vielen Wähler tendieren, die sich heute noch gar nicht entscheiden können.
(Prof. Dr. Wolfgang Donsbach)

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